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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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Könige
und Kaiser. Er ließ sich noch einmal seine Lieblingszeile von Unam sanctam auf der Zunge zergehen: Niemand kann erlöst werden, der nicht dem römischen
Papst gehorcht. Nicht einmal Philipp, der es jetzt wagte, sich ihm
entgegenzustellen.
    Es war nicht Philipp, sondern
die Familie Colonna, die ihm Sorgen machte. Nachdem er ihre Kardinäle abgesetzt
hatte, hatten sie ihm keine Dankbarkeit dafür gezeigt, daß er ihr Leben
geschont hatte, sondern waren aus der Stadt geflohen. Er hatte keine Ahnung, wo
sie waren, aber zweifellos schmiedeten sie irgendwo irgendein Komplott. Er
ärgerte sich, daß er sie nicht auf der Stelle hingerichtet hatte.
     
    Ein Jahr verging. Wieder einmal
war Bonifaz an seinem Lieblingsort Anagni. Er setzte die letzten Glanzlichter
auf eine Bulle, mit der er Philipp exkommunizierte und vom Thron stürzte. Ja,
er würde ihn feuern wie einen Stallburschen. Das glorreiche Gefühl, das ihm
dies gab, wurde nur von einer seltsamen Geschichte aus Florenz beeinträchtigt.
Vor einiger Zeit hatte er jener Stadt einen voll ausgewachsenen männlichen
Löwen geschenkt. Die Florentiner hatten ihn an einer Kette in einem cortile im Herzen der Stadt gehalten. Eines Tages hatte ein Esel den Weg in den Hof
gefunden und — er konnte es kaum glauben — den König der Tiere totgetreten. Die
Florentiner sagten, es sei ein Vorzeichen, daß die Tage Bonifaz’ VIII. gezählt
seien.
    Woher konnte solches Unheil
kommen? Kein Laut hatte ihn erreicht, daß Nogaret sich mit der Streitmacht des
Sciarra Colonna zusammengetan hatte, eines Neffen und Bruders der ehemaligen
Kardinäle. Sciarra, ein blutdürstiger, stürmischer junger Mann, war in Rieti
gewesen, auch er in schwarzen Bußgewändern, als die Amtssiegel seiner
Verwandten zerbrochen und die ganze Sippe Colonna geschändet worden war.
Sciarra sollte nie vergessen, wie er vor jenem Ungeheuer gekniet und das Urteil
der Exkommunikation gehört hatte. Dadurch hatte ihn der Papst aus der
Gemeinschaft der Christen verbannt und in ständiges Exil gezwungen. Es war
praktisch ein Todesurteil, und er hatte vier Jahre auf den Galeeren verbracht,
bis ein Mitglied seiner Familie ihn rettete. Dies Bündnis mit den Franzosen
würde es Sciarra ermöglichen, alle seine Schulden zurückzuzahlen — auf einen
Streich.
    Am Samstag, dem 7. Oktober,
wurden Anagnis Tore vom Hauptmann der päpstlichen Garde verräterisch bei
Morgengrauen geöffnet. In die engen Gassen ergossen sich sechshundert Reiter
und tausend Infanteristen. Diese Stadt der dunklen, steilen Gassen hallte wider
vom Getrappel der Hufe und Füße. Bald wurde es vom Geläut der Alarmglocken
übertönt. Die Eindringlinge entfernten die hastig errichteten Barrikaden und
plünderten die Paläste der papsttreuen Kardinäle.
    Der Palast des Papstes selbst
lag gut befestigt auf dem Kamm des Hügels und wurde von den Gaetani verteidigt.
Von dort aus schickte er um sechs Uhr früh einen Boten, der um Waffenstillstand
bat.
    Insgeheim bat er die
wichtigsten Bürger, ihm zu Hilfe zu kommen. Er versprach ihnen unerhörten
Reichtum als Belohnung für ihre Hilfe in seiner Stunde der Not. Sie lehnten ab.
    Stunde um Stunde saß er in
seinem Thronsaal, dachte nach, betete, las wieder Unam sanctam und
staunte, daß ein weltlicher Fürst es wagte, sein Schwert gegen den Gesalbten
Gottes, den Herrn der Welt zu erheben. Zur Zeit der Vesper wurden ihm die
Waffenstillstandsbedingungen übermittelt. Er sollte die Colonna-Kardinäle
wieder ins Heilige Kollegium aufnehmen, vom Amt zurücktreten und sich Sciarra
Colonna bedingungslos ergeben.
    Für Bonifaz VIII., einen
stolzen Gaetani, bedeutete dies Kampf bis zum Tod.
     
    Die Eindringlinge brannten als
erstes die Haupttüren der Kathedrale ab, um Zugang zum dahinterliegenden Palast
zu gewinnen. Die Kleriker in ihren langen, weißen Alben flohen wie die Möwen.
Sciarras Männer plünderten beim Vordringen die Kathedrale und ermordeten alle,
die darin waren. Dann nahmen sie sich den Palast selbst vor, zerschlugen
Fenster und rammten Türen auf. Die Leibwachen des Papstes, zahlenmäßig
unterlegen, ergaben sich und erboten sich, ihnen die Anlage des Gebäudes zu zeigen.
Die Truppen brachen in wilden Jubel aus und stürmten mit Sciarra an der Spitze
die breite Treppe zu den Privatgemächern des Papstes hinauf.
    Sciarra hatte sich nicht die
Mühe gemacht zu zählen, wie viele er in den letzten paar Stunden getötet hatte.
Er erinnerte sich, einen Erzbischof aufgespießt zu haben, doch der Rest

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