Gottes erste Diener
französische Tradition hochzuhalten. Dies
erklärte seine immensen Ausgaben für seinen neuen Palast auf dem Rocher des Doms
an der Rhône.
Anders als Benedikt XII., der
ein richtiger Sauertopf war, verstand Clemens Geld auszugeben. Vor mir hatte
keiner eine Ahnung vom Papstsein, scherzte er oft. »Wenn der König von England
seinen Esel zum Bischof ernannt haben will, braucht er nur zu fragen.« Einmal
fand ein Esel seinen Weg ins Konsistorium mit einem Schild um den Hals: »Bitte
mach mich auch zum Bischof.« Clemens nahm es nicht übel, ebensowenig wie den
Brief, den er erhielt, als er im vollen Konsistorium thronte. Er lautete: »Vom
Teufel an seinen Bruder Clemens.« Er und die »kleinen Teufel«, die Kardinäle,
brüllten vor Lachen.
Clemens’ einziges Ziel war es,
seine Untertanen glücklich zu machen. Er erreichte es, indem er den
unersättlichsten Bittsteller mit mehr überschüttete, als dieser zu bitten
gewagt hatte. Einige Kardinäle hatten zwischen vier- und fünfhundert der
reichsten Pfründen. Das bedeutete, daß sie sich die hübschesten Knaben leisten
konnten, wenn sie so geneigt waren, oder die schönsten Hofdamen. Jedermann in
Avignon war wohlhabend: die Musikanten, die Handwerker, die Bankiers,
Goldschmiede, Astrologen, Taschendiebe und die spektakulären Dirnen. Wenige
klagten darüber, daß Bacchus und Venus in Avignon mehr geehrt wurden als Jesus Christus.
Einer, der klagte, war
Petrarca, der große Gelehrte und Poeta laureatus des Reiches. Ein Grund, der
ihn vergrämte, war, daß Benedikt XII. seine Schwester begehrt hatte. Er wies
selbst einen Kardinalshut als Teil des Handels zurück. Benedikt bekam sie
trotzdem; er bestach den Bruder des Dichters, Gerardo. Nach einem Aufenthalt in
Avignon beschrieb Petrarca — anonym, da er nicht verbrannt zu werden wünschte —
den päpstlichen Hof als »die Schande der Menschheit, ein Sammelbecken des
Lasters, eine Kloake, in der sich aller Schmutz der Welt sammelt. Dort wird
Gott verachtet, Geld allein wird angebetet, und die Gesetze von Gott und
Menschen werden mit Füßen getreten. Alles dort atmet Lüge: die Luft, die Erde,
die Häuser und vor allem die Schlafzimmer.«
Papst Clemens hatte ein
»Leiden«, offiziell diagnostiziert als Nierenkrankheit, das er sich tatsächlich
in seinem Schlafzimmer geholt hatte. Er war in seinen Liebschaften unklug
gewesen, wie jeder wußte, doch das war ein Aspekt seiner Großzügigkeit. Er konnte
sich seine Gunsterweise nie verkneifen, auch nicht im Bett.
»Generalablaß-Sitzungen« wurden sie genannt. Doch immerhin hatte er jüngst alle
seine Kinder anerkannt. Ein Großteil seines Palastes war der Inquisition
überlassen. Die Folterkammer war geräumig, solide und oben offen, mit
unregelmäßigen Wänden, von denen das Schreien und Heulen der Gefangenen
abprallte und sich ins Schweigen verlor. Ein-, zweimal war er, um die Mönche zu
ermutigen, die Wendeltreppe von La Salle de Torture in den finsteren Kerker
darüber hinaufgestiegen, der ein Loch mitten im Boden hatte. Heikel, wie er
war, sah er nicht gern mißhandelte Leiber, die durch das Loch in die
Folterkammer darunter gestoßen wurden, doch er fand auch, daß die Ketzerei
irgendwie ausgemerzt werden mußte.
Froissart, der französische
Tagebuchautor, sollte den Palast in Avignon einmal »den feinsten und stärksten
Bau der Welt« nennen. Sieben Türme stürmten den Himmel, und in Augenhöhe
reflektierten dicke, weiße Wände mit schön gewölbten Pechnasen die Sonne. Von
seiner Spitze konnte Clemens auf die Rhône herabblicken, die unter der großen
St.-Bénézet-Brücke hindurchfloß. Diese Brücke mit ihren neunzehn Bögen war in
zwölf Jahren erbaut worden, und einige Bögen ruhten auf der Insel im Fluß. Im
Frühling tanzten und sangen junge Männer darunter und hielten auf dem Rasen
ihre Schäferstündchen. »Sous le pont d’Avignon, L’on y danse tout en rond.«
Seine Heiligkeit bewunderte
Schönheit an allem. Besonders an einer Frau, jener reinsten Architektur des
Fleisches, aber auch in steinernen Gebäuden. Seine Wandteppiche kamen aus
Spanien und Flandern, Goldbrokat aus Damaskus in Syrien, Seide aus der Toskana,
Wollstoffe aus Carcassonne. Sein Tafelsilber und -gold, das rund
vierhundertfünfzig Pfund wog, war ihm sehr teuer. Er wollte verzweifelt die
italienischen Kriege gewinnen und das Heilige Land für Christus zurückerobern,
doch nicht, wenn das bedeutete, sein Silber zu verkaufen. Da war es weit
billiger, seine dreißig Kapläne um
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