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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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vergaß sie jene Vision von ihrem Liebsten,
am Kreuz ausgestreckt wie ein Raubvogel, der an eine Scheunentür genagelt ist.
In ihrer Hochzeitsnacht bat sie ihren Gemahl Ulf um nur einen Gefallen: daß
ihre Ehe jungfräulich bliebe. Und das war sie zwei Jahre lang. Danach bekam sie
in rascher Folge acht Kinder.
    Ein Traum erschütterte selbst
diese sittenstrenge Dame. St. Lorenz der Diakon erschien. »Dieser Bischof«,
sagte er, ohne den Papst beim Namen nennen zu wollen, »läßt die Unzucht seiner
Priester zu. Er gibt den Besitz der Kirche den Reichen.« Der Heilige
verschwand, und an seine Stelle trat ein hochgewachsener Ritter in glänzender
Rüstung. Brigitta trat zu ihm und nahm ihm in einer raschen Bewegung den Helm
ab, aber es war keine menschliche Form, was sich ihren Augen bot. Nur ein
übelriechendes Aas von marklosen Knochen und wimmelnden Maden. Sie wußte, dies
war der von Pocken heimgesuchte, sterbende Papst, der schon Zeichen der
Verwesung trug. Wenn man seinen Kopf abnehmen und in seine Seele schauen
könnte, würde man dies sehen. Diese stinkende Masse hatte Ohren auf der Stirn
für die Schmeicheleien, die ihm ins Gesicht gesagt wurden; Augen am Hinterkopf,
so daß er nichts als Schmutz sehen konnte, und in sein Herz hatte sich ein
riesiger Wurm hineingefressen.
    Selbst Brigitta konnte nicht
vorhersehen, daß Clemens’ edles Haupt, das die reizendste Dame der Provence in
ihrem Schoß wiegte, eines Tages von den Hugenotten als Fußball benutzt werden
würde oder daß sein Schädel an der Tafel des Marquis de Courton als Trinkgefäß
enden würde.
     
    Am 3. Dezember 1352 suchte ein
für die Jahreszeit ungewöhnlicher Schirokko aus den Wüsten Afrikas Rom heim.
Die Hitze war unerträglich, ein Gewitter braute sich zusammen. Die bedrohliche
Finsternis wurde plötzlich von Blitzen zerrissen; im selben Moment gab es ein
lautes Krachen und ein seltsam metallisches Klingen. Brigitta spürte, daß der
Blitz in der Nähe eingeschlagen hatte. Sie verließ im Dunkeln und im strömenden
Regen ihr Haus und fand instinktiv zur Peterskirche. Die Basilika war direkt
getroffen worden, und die Glocken waren geschmolzen. Auf dem Markt fingen alle
an zu feiern. »Er ist tot. Ja, der Papst ist tot und tief in der Hölle
begraben.«
     
    Drei Tage später läuteten die
Glocken von Avignon, um der Welt offiziell zu verkünden, daß der Bischof von
Rom, Clemens VI. seligen Angedenkens, nicht mehr war. Neun Tage nacheinander
lasen fünfzig Priester in jener enormen und nun bitterkalten Kapelle Messen für
seine Seele.
    Die Barmherzigen sagten: Das
ist nicht genug. Die Unbarmherzigen sagten: Es kann nie genug sein.

6. Kapitel

Der Abstieg des Papsttums in die Hölle
     
     
     
     
     
     
     
    Es hat viele Generationen von Katholiken gegeben, die sagten: »Jetzt hat das
Papsttum seinen Tiefpunkt erreicht.« Dante hat das über Bonifaz VIII. gesagt.
Petrarca hat es über die Babylonische Gefangenschaft in der Zeit von Avignon
gesagt. Beide Dichterfürsten hatten unrecht. Die düstersten Zeiten sollten noch
kommen.
    Die Fäulnis begann, als
Katharina von Siena nach Avignon ging, wo sie den regierenden Papst, Gregor
XI., unter Druck setzte, nach Rom zurückzukehren. Es war das Jahr 1377. Sieben
französische Päpste hintereinander hatten ihre Ecke der Provence zu einem
Weltwunder gemacht.
    Die bösen Frauen des päpstlichen
Hofes hatten kein Erbarmen mit Katharina, dieser blassen, groben Toskanerin,
die Seine Heiligkeit offensichtlich in ihren Bann geschlagen hatte. Vielleicht
war er von ihrer Ekstase bei der Kommunion beeindruckt. Wenn sie zuviel Einfluß
gewann, so mußten sie womöglich ihre salons schließen, wo hinreißende
junge Männer verkehrten, Söhne von Herzögen und Fürsten auf der Suche nach
kirchlicher Gunst. In der Kapelle stachen und zwickten sie abwechselnd ihren
fühllosen Körper, um zu sehen, ob ihre Trance echt war oder nicht. Eine
besonders Bösartige durchstach ihren Fuß mit einer Nadel, so daß sie tagelang
nicht damit gehen konnte.
    Am Ende trug sie den Sieg
davon. Gregor ging heim, abzüglich der sechs Kardinäle, die sich nicht von
ihren sehr angenehmen Residenzen, ihren provençalischen Frauen und ihren
Burgunderweinen losreißen konnten. Ein Ultimatum von den Römern, sie würden
einen anderen Papst wählen, wenn er nicht zurückkäme, hat ihn vielleicht auch
beeinflußt.
    Von den 278 Jahren seit 1100
hatten die Päpste nur zweiundachtzig in Rom residiert. Massive 196 Jahre hatten
diese

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