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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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päpstlichen Nomaden an anderen Orten verbracht. Das war keine gute
Bilanz; und das Beispiel blieb nicht ohne Folgen für die Kirche.
    Die Ewige Stadt gab Gregor bald
den Rest. Dann offenbarte sich die wirkliche Tragödie von Avignon.
     
     
    Ein Papst, zwei Päpste
     
    Nach Gregors Tod trat zur
Bestimmung seines Nachfolgers ein Konklave zusammen, das
in zwei Cliquen gespalten war, die französische und die italienische. Während
des Exils hatten sieben Päpste in Avignon 134 neue Kardinäle ernannt, alle
Franzosen, bis auf zweiundzwanzig. Die Franzosen waren natürlich entschlossen,
das Papsttum für sich zu behalten. Da der Lateran abgebrannt worden war, tagte
das Konklave in jenem April im Vatikan.
    Draußen brüllte eine Menge von
angeblich dreißigtausend Menschen, sie sollten endlich einen Römer wählen.
»Romano lo volemo«. Wenn kein Römer, dann wenigstens ein Italiener. Die Wahl
war recht begrenzt. Es gab nur vier italienische Kardinäle, und keiner von
ihnen war papabile. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, häufte
die Menge in dem Raum über dem Tagungsort Feuerholz auf und schlug die ganze
Nacht hindurch mit Piken und Hellebarden von unten an die Bodendielen. Falls
das nicht reichte, läutete die Glocke des Kapitols, und die Glocken von St.
Peter stimmten ein. Am Morgen verlor die Menge ganz die Geduld und brach die
Tür zum Konklave auf.
    Von den sechzehn anwesenden
Kardinälen wählten dreizehn einen Außenseiter, Bartolomeo Prignano, den
kleinen, dicken, gelbgesichtigen Erzbischof von Bari. Er war kein Römer. Ein
Neapolitaner war das Beste, was sie zu bieten hatten. Da sie zweifelten, daß
das gut genug war, kleideten sie einen protestierenden achtzigjährigen Römer,
Kardinal Tebaldeschi, in päpstliche Gewänder und stellten ihn zur Schau. Ein
Kurier eilte nach Pisa, wo Tebaldeschis Wahl mit Feuerwerken gefeiert wurde.
Inzwischen suchten die französischen Kardinäle das Weite. Zwei Tage lang machte
sich niemand die Mühe, Prignano Bescheid zu sagen oder ihm die übliche Ehrung
zu erweisen. Als er schließlich davon hörte, nahm er den Namen Urban VI. an.
    Der Erzbischof von Bari war
niederer Herkunft und war fünfzehn Jahre lang ein stiller, gehorsamer, wenn
auch pingeliger Kurienbeamter gewesen. Die adligen französischen Kardinäle
hielten es für ausgemacht, daß er weiterhin tun würde, was man ihm sagte, und
mit dem Hof zurück zu den Fleischtöpfen Avignons ziehen würde. Sie hatten sich
schwer getäuscht in diesem Mann.
    Urban VI. erwies sich als einer
der hinterhältigsten und bösartigsten Päpste. Sein Arzt verriet, daß er kaum je
etwas aß, aber nicht ohne Alkohol auskam. Bei seinem Krönungsmahl trank er dem
Kardinal der Bretagne zufolge achtmal mehr als jedes Mitglied des
Kardinalskollegiums — einige freilich haben gesagt, dies sei nicht
menschenmöglich gewesen. Alkohol, Religion und Rache — und alles im Übermaß —
erwies sich als explosive Mischung.
    Er, der in den stinkenden
Gassen Neapels geboren und aufgewachsen war, konnte die gezierten, blasierten
französischen Kardinäle nicht ausstehen. Er predigte ihnen, so wurde berichtet,
wie ein Jeremia mit Bauchweh. Er wollte sie um jeden Preis bessern. Er sprach
offen mit seiner hohen Eunuchenstimme von Kardinal Orsini als sotus oder
»Blödian«. Einmal wollte er mit wutverzerrtem Gesicht den Kardinal von Limoges
prügeln, und Robert von Genf konnte ihn nur daran hindern, indem er seinen Arm
festhielt. »Heiliger Vater, was tut Ihr?« Als er gerade ein anderes Mitglied
des Heiligen Kollegiums wegen Simonie exkommunizieren wollte und Robert von
Genf wieder eingriff, bellte Urban wie ein Hund: »Ich kann alles, absolut alles
tun, was ich will.«
    Eine Handvoll Kardinäle fand,
seine Wutanfälle seien ein Symptom des Wahnsinns. Sie konsultierten einen
angesehenen Juristen: Gab es irgendwelche Umstände, unter denen Kardinäle einen
amtsunfähigen Papst vertreten konnten? Urban bekam Wind davon und bewies, daß
er seine fünf Sinne noch beisammen hatte.
    Zuerst exkommunizierte er einen
alten Feind, König Karl von Neapel, den er beschuldigte, hinter dieser
»Rebellion« zu stecken. Der König antwortete, indem er Seine Heiligkeit in
seiner Festung Nocera bei Pompeji festsetzte. Urban stieg viermal täglich auf
die Zinnen und exkommunizierte seelenruhig, mit Glocke, Buch und Kerze, die
gesamte Armee, die gegen ihn angetreten war. Die Pfeile, die um ihn herum
fielen, schien er nicht zu bemerken.
    Nach seiner Befreiung

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