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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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Geist des Evangeliums. Das Gesetz
Christi bringt Freiheit; das Papsttum, sagte Contarini unverblümt, bringt nur
Knechtschaft und Willkür. »Keine größere Sklaverei, Heiligkeit, als diese
könnte den Christgläubigen auferlegt werden.«
    Paul III., der
Unterrock-Kardinal, dessen einzige Qualifikation zur Eminenz die
unwiderstehlichen Reize seiner Schwester Giulia gewesen waren, hatte nicht das
Format eines Reformers.
    Pauls Konzil — es sollte mit
Unterbrechungen zwanzig Jahre dauern — begann im Dezember 1545 in Trient.
Edmund Campion, der heiligmäßige Jesuit, der 1580 in London den Märtyrertod
erlitt, sagte stolz über Trient: »Guter Gott! Welche Vielfalt der Völker!
Welche Auswahl an Bischöfen der ganzen Welt!« Die Wahrheit war, daß in Trient
187 Bischöfe, weit mehr als die Hälfte, Italiener waren. Es war kaum eine
»katholische« Versammlung. Auf jeden Fall kam es viel zu spät, um den Schaden
zu beheben, den das Papsttum angerichtet hatte. Die Väter waren erstaunt, sich
in einer offenen Sitzung als wertloses Gezücht bezeichnet zu hören, als Wölfe,
nicht Hirten, Urheber der Verderbnis der Welt in Italien und andernorts.
     
    Wie wurde Rom, statt Vorkämpfer
des Evangeliums zu sein, mit Contarinis Worten die Verkörperung der Ketzerei?
    Macht war die Wurzel des Übels.
Wie zur Bestätigung von Actons berühmtem Ausspruch korrumpierte absolute Macht
nicht nur die Amtsinhaber, sondern auch das Amt des Papstes. Darum waren Männer
wie Borgia eben nicht fehl am Platze auf dem Stuhl Petri, sondern wie dafür
geschaffen.
    Die Reformation kam, nicht als
die Kirche noch weiter absackte, sondern als wirkliche Heiligkeit erschien. Die
Reformatoren haben das Papsttum gerettet, das zu tief gesunken war, um sich
oder die Kirche zu retten. Jacob Burckhardt schreibt: »Die moralische Rettung
des Papsttums ist seinen Todfeinden zu verdanken.« Doch der Preis war hoch.
Trient machte die mittelalterliche Theologie sakrosankt und stellte so sicher,
daß der Katholizismus noch jahrhundertelang beschränkt und rückwärtsgewandt
sein würde. Es war der Anfang eines religiösen kalten Krieges. Der Priester
Paulo Sarpi schrieb über das Tridentinum: »Dieses Konzil, das fromme Männer
gewünscht und verwirklicht hatten, um die auseinanderbrechende Kirche wieder zu
vereinigen, hat statt dessen die Spaltung so bestätigt und die Standpunkte so
verhärtet, daß Meinungsverschiedenheiten unlösbar wurden.« Seiner Ansicht nach
war das Tridentinum verantwortlich für die »größte je gesehene Deformierung im
Bereich der Kirche, mit dem Ergebnis, daß der Name der Christenheit jetzt
verhaßt ist«. Nach dem Tridentinum war Roms enorme Macht bestätigt, und die
Bischöfe verloren so nachhaltig ihre Unabhängigkeit, daß über dreihundert Jahre
kein Konzil mehr gehalten wurde. Dann wurde ein Konzil einberufen, nur um dem
päpstlichen Absolutismus einen formellen und endgültigen Ausdruck zu geben. Die
römische Kirche, im Westen von den Protestanten getrennt, war künftig weniger
eine katholische Kirche als eine nach innen gekehrte und angstvolle Sekte unter
der Fuchtel des Papstes.
    Das Merkwürdige ist, daß Luther
die Kirche nicht verlassen wollte. Bis ihm dämmerte, daß eine geteilte
Christenheit besser war als eine, über die der Papst im Widerspruch zum
Evangelium herrscht. Besser, von der offenen Bibel geführt zu werden, als von
einem korrupten und offensichtlich unreformierbaren Papsttum. Die westlichen
Christen sind noch immer uneins über die Weisheit von Luthers Urteil. Seine
Analyse war nicht anders als die Dantes. Was mit der Kirche nicht stimmte, war
die libido dominandi des Papsttums, seine unersättliche Machtgier.
    Leo X. war beschränkt genug,
Luther zu exkommunizieren, weil er gesagt hatte: »Ketzer verbrennen ist gegen
den Willen des Heiligen Geistes.« Die nächsten paar Päpste waren nicht
gescheiter.
    Der Sturm, der sich lange
zusammengebraut hatte, brach endlich los. Der Blitz zuckte, der Donner rollte —
und noch immer waren sie unfehlbar überzeugt, die Welt, ihre Welt, würde so
friedlich wie immer bleiben.
    Calvin führte 1514 die
Reformation in Genf ein. Langsam und unaufhaltsam drang sie nach Frankreich,
Holland, Schottland vor. Und im Vatikan noch immer kein Zeichen der Erkenntnis,
daß seine Macht im Schwinden war.
    Im Jahr 1555 erschien ein neuer
Oberhirte. Luther war schon seit fast einem Jahrzehnt tot, die Christenheit
explodierte förmlich, eine geteilte Kirche war nicht länger

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