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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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Prachtbett im Greenwich Palace geboren worden. Sobald Heinrich
hörte, daß es ein Mädchen war, verließ er Greenwich in einem Wutanfall, der
drei Tage lang dauerte. Er schrie, Anne Boleyn, seine zweite Frau, sei so dumm wie
seine erste; hatte er vielleicht für das hier riskiert, vom Papst
exkommuniziert zu werden und sein Reich zu verlieren? Da wußte Anne, daß ihr
Schicksal besiegelt war. Sie war erst dreißig, als sie für schuldig befunden
wurde, Liebschaften zu haben und die Ermordung ihrer Rivalinnen zu planen. Sie
wurde mit einem schweren französischen Schwert hingerichtet, das mit beiden
Händen geführt wurde. Die dreijährige Elizabeth blieb ganz allein zurück. Das
kleine Mädchen hatte die riesengroßen, gehetzten Augen seiner Mutter und die
dünne Plantagenet-Nase seines Vaters. Es trifft zu, daß sie sich mehr oder
minder redlich durchschlug — das mußte sie. Als sie aufwuchs, wurde sie
nacheinander für ehelich, für unehelich und zur Thronfolgerin erklärt, und als
ihr Vater starb, war sie nur ein Nicken der Königin von der Hinrichtung
entfernt.
    Die Historiker sind uneins
darüber, ob Elizabeth schon bei ihrer Thronbesteigung entschlossen war, den
Protestantismus in England wieder einzuführen. Als Maria, ihre Halbschwester, Königin
geworden war und als erste Frau England beherrschte, ließ Elizabeth umgehend
eine Messe in ihrem Haus feiern, denn sie meinte, ein Leben sei wohl »eine
Messe wert«. Die überflüssigen Beleidigungen Pauls IV. besiegelten das
Schicksal der englischen Katholiken. Wenn er dachte, er sei Oberhaupt von
England, so würde sie sich zum Oberhaupt der Kirche machen. Dieses Absetzspiel
konnten zwei spielen, besonders in den unruhigen Zeiten der Reformation. Wenn
sich aus der Geschichte irgend etwas ableiten ließ — mehr Monarchen hatten
Päpste abgesetzt als Päpste Monarchen.
    Wieder einmal brachte es ein
Papst durch Fehldeutung der Ereignisse und überzogene Anmaßung dahin, daß ein
Land dem Heiligen Stuhl das Bündnis aufkündigte.
    Paul konnte nicht anders. Die
Ketzerei machte ihn blind für alle Fakten und Folgen. Sie war eine Seuche. Bei
einer Seuche verbrennt man Kleider, sogar Häuser. In dieser Seuche der Seele
hatte der Papst keine Wahl, als den Leib zu verbrennen, das Haus der Seele. So
blieben andere von der Ansteckung verschont. Dies erklärt, warum er zwar viele
Veranstaltungen ausließ, niemals aber ein einziges Donnerstagstreffen des
Heiligen Offiziums. Selbst als er im Sterben lag, lud er die Inquisitoren zu
sich ins Zimmer ein. Die Inquisition war eingerichtet worden, um mit der
Häresie fertig zu werden, doch nun verurteilte sie Unzüchtige, Sodomiten,
Schauspieler, Clowns und Laien, die das Fasten nicht einhielten, zum Tode —
selbst einen Bildhauer, dessen Arbeit, ein Kruzifix, sie für Christi unwürdig
erachtete.
    Als Paul im Sommer 1559 starb,
brannten die Römer das Inquisitionsgefängnis an der Via Ripetta nieder. Eine
Menschenmenge riß seine Statue auf dem Kapitol um, und Juden, die er mehr
verfolgt hatte als jeder andere Papst, setzten ihrem abgetrennten Kopf einen
gelben Hut auf. Halbstarke spuckten sie an und traten sie, bevor sie durch die
Straßen geschleift und in den Tiber geworfen wurde. Sie waren nur traurig, daß
sie nicht seine Leiche mit bloßen Händen Glied für Glied zerreißen konnten.
Nach der Abschätzung der öffentlichen Meinung begruben die Behörden die Leiche
mitten in der Nacht des 19. August tief unter dem Petersdom und stellten eine
Wache auf.
    Paul IV. hatte nie bezweifelt,
daß Jesus, ein loyaler Jude, der wegen Ketzerei hingerichtet worden war, unter
vergleichbaren Umständen genauso gehandelt hätte wie er. Er wurde nicht
geliebt. Bald sollte einer nachkommen, der nicht mehr geliebt wurde.
     
     
    Der letzte Monarch, der
abgesetzt wird
     
    Paul IV. wußte, waser tat, als er sich als Großinquisitor einen übertrieben
skrupulösen Dominikaner aussuchte, Michele Ghislieri. Nach seiner Wahl 1566
setzte er als Pius V. sein mönchisches Leben in einer Zelle im Vatikan fort. Er
aß wenig und drohte seinem Koch mit Exkommunikation, wenn er an Abstinenztagen
Verbotenes in seine Suppe täte. Sein Hauptziel war es, Rom zu einem Kloster zu
machen. Er sprach mit niemandem und hörte auf niemanden als Gott.
    Wenn man ihn ansah, war Pius
ein Bündel gelber Haut und schlotternder Knochen. Er hatte eine Glatze und
einen großen, weißen Bart; seine Stirn überragte hoch und wächsern eine
Adlernase. Seine Augen waren

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