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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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Kanzlei veröffentlichte ein Buch mit präzisen Preisen für verschiedene
Absolutionen. Ein Diakon, der gemordet hatte, konnte für zwanzig Kronen
Absolution bekommen. Ein Bischof oder Abt, der einen Feind getötet hatte,
konnte für dreihundert Pfund losgesprochen werden. Das schlimmste Verbrechen
hatte sein Preisschild. Diese »gesalbten Übeltäter«, wie sie in Deutschland
genannt wurden, waren von der bürgerlichen Rechtsprechung ausgenommen. Statt
dessen brachten sie der Kirche jede Art von Rechtsstreit ins Netz, auch um
Testamente, Anerkennung von Kindern und Wucher. Jeder Zivilbeamte, der ihnen
Einhalt gebieten wollte, wurde exkommuniziert, und das bedeutete den Verlust
aller Bürger- und Menschenrechte. Die Besitztümer der Kirche gehörten Gott und
waren daher unveräußerlich. In jedem Land hatte die Kirche unschätzbaren
Reichtum, doch in Deutschland schätzte man, daß die Hälfte in den Händen des
Klerus war. Sie waren von allen Steuern und Pflichten, wie etwa der
Landesverteidigung, ausgenommen.
    Der Funke, der dies trockene
Land in Brand setzte, wurde von Prinz Albert von Hohenzollern entfacht. Mit
zweiundzwanzig hatte er schon die reichen Diözesen Magdeburg und Halberstadt,
doch sein Ehrgeiz war es, Erzbischof von Mainz und Primas von ganz Deutschland
zu werden. Dafür war er bereit zu zahlen. Papst Leo brauchte zufällig Geld für
den neuen Petersdom und war bereit zum Handel. Er wollte Albert das Erzbistum
Mainz geben und ihm entgegen dem Kirchenrecht erlauben, seine anderen beiden
Diözesen zu behalten — für zehntausend Dukaten. Dies kam zu der Gebühr für das
Pallium hinzu, in diesem Fall zwanzigtausend Dukaten.
    Weil Albert gerade nicht
flüssig war, sah Leo über das kirchliche Verbot des Wuchers hinweg. Er
arrangierte für Albert ein Darlehen in der nötigen Höhe von den Fuggern zu
einem überhöhten Zinssatz. Wie sollte Albert diese Schuld zurückzahlen? Leo
hatte an alles gedacht. Nach dem Vorbild von Sixtus IV. und Julius II.
versorgte er ihn mit einem lukrativen Ablaß, den er acht Jahre lang ausbeuten
durfte, obwohl er vor seiner Wahl feierlich gelobt hatte, alle derartigen
Ablässe zu widerrufen. Von den erzielten Einkünften sollte die Hälfte an die
Bankiers gehen und die Hälfte an den Stellvertreter Christi für den Petersdom.
    Der Dominikaner Tetzel wurde
dazu ausersehen, den Ablaß in Deutschland zu predigen. Er war ein
eindrucksvoller Redner mit lauter, dröhnender Stimme, und er wurde für seine
Dienste gut bezahlt. Außer Spesen bekam er das zwanzigfache Gehalt eines
Universitätsprofessors. Als Repräsentant des Papstes zog Tetzel immer feierlich
in eine Stadt ein, umgeben von bürgerlichen und kirchlichen Würdenträgern. Vor
ihm ging ein Akoluth, der ein Kreuz mit dem päpstlichen Wappen trug. Die
Ablaßbulle wurde auf einem Samtkissen mit Goldstickerei getragen. Wenn das
Kreuz auf dem Marktplatz aufgepflanzt war, ging es ans Geschäft. Zum Verkauf
standen Passierscheine zum Paradies. Ein Agent der Fugger war zur Stelle, um
die Einkünfte in eine Kassette zu schließen.
    Tetzel war großartig darin, die
Leiden der Seelen im Fegefeuer zu schildern. Wie sie sich in den Flammen wanden
und unaufhörlich zu ihren Verwandten auf Erden schrieen: »Erbarmt euch unser!
Erbarmt euch unser!« Mit zwölf Pfennigen konnte ein Sohn seinen Vater aus der
Qual befreien. Tetzels beliebtester Kehrreim war:
     
    Sobald
das Geld im Kasten klingt,
    die
Seele aus dem Fegfeuer springt.
     
    Einer von Tetzels Begleitern
versprach einen Ablaß, so wirksam, daß er die Sünde eines Mannes
wiedergutmache, der (Gott behüte!) die Jungfrau Maria vergewaltigt hätte.
    Tetzel hätte ungehindert so
weitermachen können, wäre da nicht ein vierunddreißigjähriger, hagerer
Augustinermönch gewesen. Martin Luther war bäuerlicher Herkunft, hatte
brennende Augen und ein freundlich-offenes Gesicht und sah aus, als wäre er wie
ein Baum in der Erde verwurzelt. Seine Leidenschaft war die Bibel, und da sah
er keine Rechtfertigung für diese päpstlichen Mißbräuche. Es machte ihn wütend,
die Helfershelfer des Papstes zu sehen, wie sie Ablässe zu Schleuderpreisen
verkauften und sie sogar als Spieleinsätze in Gasthäusern und Tavernen
benutzten. Der Mißbrauch war schon lange getrieben worden. 1491 hatte Innozenz
VIII. den zwanzigjährigen »Butterbrief»-Ablaß gewährt. Für einen zwanzigstel rheinischen
Gulden bekamen die Deutschen das jährliche Privileg, selbst an Fastentagen
Milchprodukte zu essen.

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