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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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Papsttum, in seinen Folgen sogar noch
furchtbarer als der Gregors VII. in Canossa. Es zeigte einmal mehr, daß nicht
unheilige Päpste wie Benedikt IX. und Alexander VI. der Kirche den
dauerhaftesten Schaden zugefügt haben, sondern heilige wie Gregor VII., Pius V.
und Pius IX. Denn Actons Ausspruch über absolute Macht, die absolut korrumpiert,
trifft absolut und ohne Einschränkung auf Sünder und Heilige zu. In diesem Fall
hatte Pius IX. triumphiert — aber er hatte den Wind gesät.
    Als die Wahlergebnisse ihm im
Petersdom überbracht wurden, war die Finsternis so dicht, daß er sie nicht sehen
konnte. Eine Kerze wurde angezündet, so daß er die Konstitution in seiner
leichten, musikalischen Stimme bestätigen konnte: »Nosque sacro approbante
Concilio«, »Mit der Zustimmung des Heiligen Konzils dekretieren, beschließen
und sanktionieren Wir, was gelesen wurde.«
    Die Väter klatschten, die Menge
im Hauptschiff der Basilika wedelte mit Taschentüchern wie mit Flügeln
geistlicher Tauben. Was war es, dem Seine Heiligkeit gerade Gesetzeskraft
verliehen hatte? Die Rufe der Menge gaben die Antwort: »Viva il Papa
infallibile.« Pius, den Montalembert »den Götzen im Vatikan« nannte, hatte sich
mit der Machtfülle eines Gottes ausgestattet; er hatte unfehlbar seine eigene
Unfehlbarkeit beschlossen.
    Die beiden tapferen Bischöfe,
die vor einem Augenblick dagegen gewesen waren, bekannten nun auf den Knien
Pius IX. — »Modo credo, Sancte Pater« —, daß sie so ehrlich und vorbehaltlos
daran glaubten wie an Gott und die Gottheit Christi. Ihre Bekehrung war die
schnellste der Geschichte. Die Bischöfe, die Rom verlassen hatten, um den
Heiligen Vater nicht durch eine Abstimmung nach ihrem Gewissen zu verletzen,
akzeptierten Pastor aeternus auch noch, eher früher als später. Sie
mußten es entweder akzeptieren oder die Kirche verlassen, und auch das hätte
den Heiligen Vater zweifellos verletzt. Sie kehrten heim, um den Gläubigen zu
berichten, daß die vatikanischen Beschlüsse einstimmig gewesen seien, was
durchaus etwas weniger war als die ganze Wahrheit. Einige fanden sogar den Mut,
gelehrte Theologieprofessoren zu entlassen und zu exkommunizieren, Männer von
internationalem Ansehen wie Döllinger in München, weil sie es noch wagten zu
sagen, was sie selbst vor und auf dem Konzil gesagt hatten.
    Künftig sollte die Autorität
mit Vernunft und Gewissen Schindluder treiben, denn Vaticanum I hatte einen
Präzedenzfall gesetzt. Jeder katholische Gelehrte, der für Demokratie,
religiöse Freiheit oder wissenschaftliche Erforschung der Ursprünge des
Menschen eintritt, muß sich auf Prügel gefaßt machen — oder wenigstens den Kopf
einziehen.
    Denn was beim Konzil
beschlossen wurde, war folgendes: Wenn der Papst die Fülle seines Amtes ausübt
und eine Lehre für die ganze Kirche definiert, sind seine Definitionen
unfehlbar, von sich aus und nicht durch die Zustimmung der Kirche. Der
deutliche Eindruck wurde erweckt, daß nicht etwa der Papst seinen Glauben von
der Kirche empfängt, sondern die Kirche empfängt ihren Glauben vom Papst. Der
Oberhirte steht allein; es gibt keine Kontrollen und Gegengewichte, keine
Kabinette, keine parlamentarische Opposition. Die Welt mag immer demokratischer
werden — ein Mann (eine Frau), eine Stimme —, die Kirche nie. Ein Mann, eine
Stimme hat im Katholizismus einen ganz anderen Klang.
     
    Die Kurie war entzückt. Sie
hatte sich vor einem Konzil gefürchtet, und da seit Trient drei Jahrhunderte
vergangen waren, glaubte sie ernsthaft, Konzilien seien unnötig. Doch nun
hatten die Bischöfe die Führung der Kirche großzügig und endgültig ihr
übertragen. Sie hatten ihre Zustimmung dem Papst gegeben, der ihre Zustimmung
nie wieder brauchte. Das katholische Episkopat war endlich so bedeutungslos
geworden, wie Gregor VII. es sich gewünscht hatte; die Bischöfe hatten vor der
ganzen Welt abgedankt. In einer wundersamen Wandlung hatten Hirten sich zu
Schafen gemacht.
    Das Konzil ging in einer
Atmosphäre internationalen Umbruchs auseinander. Wenige glaubten, es würde noch
einmal zusammentreten, aber warum auch? Dies, sagten viele Kuriale
zuversichtlich voraus, würde das letzte Konzil der Kirche sein. Um ein weiteres
einzuberufen, müßte ein Papst ein vollkommener Narr sein. Oder, die Kurie möge
entschuldigen, ein vollkommener Heiliger.
    Interessierte Nichtkatholiken
schauten zu und waren fassungslos. In den Augen vieler von ihnen, etwa des
britischen Premierministers

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