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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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her, wenn auch weit weniger brutal.
    Die Katholiken leben ihr Leben
in der Welt ohne einen Gedanken an die Inquisition. Sie sind als fromm und
normal bekannt. Spinner und Fanatiker gibt es wenige unter ihnen. Für einen
schrillen, auffälligen Proselytismus haben sie nichts übrig. Katholische
Missionare — Priester, Nonnen, Laien — üben Selbstverleugnung. Viele verlassen
ihre Heimat, um ihr Leben dem Dienst an den Bedürftigen zu weihen. Wenn sie
überhaupt einmal an das Heilige Offizium denken, dann nehmen sie an, es sei
eine wesentliche Waffe der Orthodoxie, ein Mittel, den katholischen Glauben zu
bewahren. Sie wären schockiert, müßten sie die Mißbräuche entdecken, die von
diesem Gebäude in der Via del Sant’Ufficio ausgegangen sind.
     
     
    Papst Johannes Paul II.
     
    Wo steht der Oberhirte? Er ist
nicht frei von offensichtlichen Widersprüchen. Zunächst
einmal ist er eindeutig ein gütiger, mitfühlender Mensch. 1987 erlaubte er
Mutter Teresa von Kalkutta, ein Obdachlosenasyl innerhalb der Mauern des
Vatikans zu bauen. Er hat eine tiefe Liebe zu Kindern und Kranken. Wohin immer
er kommt, er plädiert beredt für Menschenrechte und Menschenwürde. Andererseits
wirkt er oft wie der strengste Papst, an den sich die jetzt Lebenden erinnern.
Man mußte zu Pius X. an der Jahrhundertwende zurückgehen, um einen Papst zu
finden, der weniger zuhört und mehr sofortigen Gehorsam verlangt. Der Grund
hierfür ist klar. Der Papst ist von Natur und Ausbildung her ein Platoniker. Er
glaubt, daß Wahrheit ewig und unwandelbar ist. Er als Stellvertreter Christi
hat eine privilegierte, vom Heiligen Geist inspirierte Sicht dieser Wahrheiten,
die er der Kirche Vorhalten muß und von der keinem Katholiken die Abweichung um
auch nur ein Iota erlaubt werden darf.
    Wiederum sagt Johannes Paul
öfter, Kleriker müßten sich aus der Politik heraushalten. Doch als er in Polen
als Priester, Bischof und Kardinal tätig war, engagierte er sich beständig in
»rechtsgerichteten politischen Aktivitäten«, wie jedenfalls die Kommunisten es
nannten. Außerdem muß Seine Heiligkeit wissen, daß seine Besuche in seiner
Heimat nicht anders gedeutet werden können, als daß er in der Politik
mitspielt. Tatsächlich ist dies ganz vatikanische Tradition.
    Jahrhunderte hindurch war die
katholische Kirche die wichtigste politische Kraft in Europa. Sie mischte sich,
wann und wie sie wollte, in die Angelegenheiten jedes Landes ein. Päpste
setzten fast nach Laune Kaiser und Könige ab. Pius X. sagte in seinem ersten Konsistorium
am 9. November 1903:
     
    Wir
werden viele Menschen stören, wenn Wir sagen, daß Wir Uns notwendigerweise mit
Politik befassen müssen. Doch wer die Frage gerecht beurteilt, muß einsehen, daß
der souveräne Papst, von Gott mit dem höchsten Amt ausgestattet, nicht das
Recht hat, politische Dinge von dem Bereich des Glaubens und der Moral zu
trennen.
     
    Viele Kleriker und
Ordensschwestern in Südafrika, die mit der Apartheid konfrontiert sind,
waren vor den Kopf gestoßen, daß ein polnischer Papst ihnen sagte, politisches
Engagement stehe ihrer religiösen Mission entgegen.
    Schließlich ist die katholische
Kirche die einzige existierende religiöse Institution, die Kirche und
gleichzeitig politische Organisation ist. Darum kann sie als einzige Kirche
diplomatische Vertreter austauschen und beansprucht Anerkennung als
unabhängiges Mitglied der Völkergemeinschaft. Das tut sie nicht als Kleinstaat
(der Vatikan), sondern als weltweite religiöse Organisation.
    Die meisten Kommentatoren sind
sich heute einig, daß Johannes Paul durch den Vatikan gegangen ist, um die
Fenster zu schließen und die Jalousien herunterzulassen. Sogar den kirchlichen
Kodex des kanonischen Rechts ließ er 1983, nach dem Zweiten Vatikanischen
Konzil, revidieren, ohne die Bischöfe der Welt nach ihrer Zustimmung zu fragen.
Anders als sein Vorgänger, Paul VI., ist er in keiner Weise das Opfer von
Zweifeln oder Impulsen des Zögerns. Dies erklärt, warum er jedem Theologen
heimgeleuchtet hat, der es wagte, seine Entscheidungen zu hinterfragen — sogar
nicht-unfehlbare Entscheidungen.
    Schon 1979 wies er den
bekanntesten katholischen Schriftsteller der Welt, Hans Kling, in seine
Schranken. Daraufhin galt Kling nicht mehr als katholischer Theologe und verlor
deshalb seinen Posten an der katholischen Fakultät der Universität Tübingen.
Hätte ihm nicht der Rektor einen Posten außerhalb der katholischen Fakultät
angeboten, so wäre Kling

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