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Gottes Gehirn

Gottes Gehirn

Titel: Gottes Gehirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Johler , Olaf-Axel Burow
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Rücksicht darauf nehmen, Jane und er brauchten den Jeep. Ihr Mann. Wenn es so wäre!
Sie waren ungefähr zwei Stunden durch den Wald gelaufen, immer an den Schienen entlang, mit immer neuem Erstaunen darüber, was die Natur über Nacht angerichtet hatte. Schließlich waren sie in diesem Nest gelandet und hatten gleich am Ortseingang eine alte Frau getroffen, die in ihrem Vorgarten Pflanzen zerhackte. Auf die Frage, ob sie jemanden wüsste, der ein Auto zu verkaufen hatte, hatte sie einen Moment nachgedacht und war dann auf den alten Stevie gekommen, „der da am anderen Ende seine Scheune hat.“ Sie hatten schon weitergehen wollen, aber die Frau hatte sie noch zurückgehalten. „Haben Sie schon mal so einen Löwenzahn gesehen?“, hatte sie gesagt, und da erst hatte Troller erkannt, dass die riesigen gezackten Blätter einer strauchgroßen Löwenzahnpflanze gehörten. „Was ist bloß los mit der Natur?“
„Eine neue Melodie des Lebens“, hatte Jane gesagt, und die Frau hatte sie angestarrt, als sei sie gerade aus dem Jenseits gekommen.
Die neue Melodie des Lebens? Ja, vielleicht. Vielleicht hing alles mit der neuen Melodie zusammen, von der Behrman gesprochen hatte, aber es war ein verdammt chaotisches Leben, das sich da breit machte. Zum Jubeln war das nicht. Und es konnte ihm auch keiner erzählen, dass es sich hier um eine bloße Umkehr der bachschen Revolution handelte. So chaotisch konnte die Welt zu Pythagoras’ Zeiten nicht gewesen sein. Wenn hier eine neue Melodie in die Welt kam, dann war es wirklich eine neue, nie gehörte Melodie! Troller entwickelte eine regelrechte Wut auf diese Melodie, und mit dieser Wut schaffte er es schließlich, die Wurzel durchzuhauen und das abgeschlagene Ende von der Achse des Jeeps loszuziehen. Er nahm den Schlüssel, den der Alte ihm gegeben hatte, und betätigte den Anlasser. Der Motor stotterte eine Weile und sprang schließlich an. Bloß weg, bevor die Wurzeln wieder zugriffen!
Jane hatte zusammen mit dem Alten ein Frühstück bereitet. Brot, Rühreier mit Schinken, ein paar Tomaten, etwas Käse.
Das sei im Preis inbegriffen, sagte der Alte, als er ihre Travellerschecks in der Brusttasche seines Overalls verstaute. „Und vergessen Sie nicht, alle hundert Meilen Öl nachzufüllen.“ Sie hatten noch gut vierhundert Kilometer vor sich. Troller hatte vom Anschluss des Alten aus Rubinowitz angerufen und ihn gewarnt. Sie hatten ausgemacht, dass sie sich melden würden, sobald sie Frisco erreicht hätten.
    Der Motor machte einen mordsmäßigen Lärm, aber sie kamen einigermaßen voran. Wenn sie erst den Donnerpass überwunden hätten, dann ginge es hinunter nach Sacramento, und San Francisco läge vor ihnen.
    „Bei dem Tempo sind wir heute Abend um sieben da“, sagte Troller.
„Wenn wir das Tempo halten können“, sagte Jane, die am Steuer saß. „Ich habe den Eindruck, die Straße wird immer schlechter.“ Sie zeigte auf die Fahrbahn, die von Schlaglöchern übersät war. Pflanzen brachen durch den Asphalt.
Ächzend schleppte sich der altersschwache Jeep den Donnerpass hinauf. Troller befürchtete jede Sekunde, dass sie liegen bleiben würden, aber sie schafften es. Unter ihnen lag jetzt die fruchtbare Ebene um Sacramento. Merkwürdigerweise waren sie nicht einmal überholt worden. Es gab kaum Verkehr in ihre Richtung. Umso überraschender war es, dass sich jetzt auf der Gegenfahrbahn eine endlose Autokarawane an ihnen vorbeiquälte.
Im Autoradio hatten sie eine Meldung über das Eisenbahnunglück gehört. Der Reporter hatte von einem rätselhaften Spontanwachstum der Pflanzen gesprochen. Eine Expertenkommission sei auf dem Weg dorthin, um diesen Fall zu untersuchen. Der Verbraucherschützer Jack Mason hatte in einem Telefoninterview mit pathetischer Stimme gesagt, dass jetzt die Teufelssaat aufgehe, womit er die Wirkung von genmanipuliertem Saatgut meinte. Ein Experte der Regierung dagegen vertrat die Ansicht, dies sei völlig aus der Luft gegriffen. Allenfalls könne es sich um erste Auswirkungen des Klimawechsels handeln. Der Sommer sei leider heiß. Aber auch diese Einschätzung sei vorschnell. Man müsse erst mal die Untersuchungen abwarten.
Am späten Nachmittag erfuhren sie aus den Nachrichten, dass an immer mehr Stellen merkwürdige Phänomene beobachtet worden waren. An verschiedenen Orten, die sich in einem breiten Streifen von San Diego entlang der Sierra Nevada bis nach Eureka im Norden befanden, hatte ein rätselhaftes Pflanzenwachstum eingesetzt. Ein

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