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Gottes Gehirn

Gottes Gehirn

Titel: Gottes Gehirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Johler , Olaf-Axel Burow
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okay?“
„Geht so.“
    „Gib mir deine Hand.“ Troller streckte ihr die Linke entgegen.
Die Leichtigkeit, mit der Jane ihn nach oben zog, überraschte ihn.
„Halt durch“, sagte sie, als er mit beiden Ellenbogen auf dem Kabinenrahmen lag. Seine Beine baumelten noch nach unten. Jane half ihm, sich weiter hochzuziehen. Erschöpft saß er auf der Kante.
„Gut, dass du wieder da bist, Partner.“
„Danke“, sagte er. „Gleichfalls.“
Erst jetzt vernahm er die Schreie und das Gewimmer der Verletzten. Und über allem ein tausendfaches Krächzen und Flügelschlagen, das bedrohlich die Luft erfüllte. Er hob den Kopf. Im Mondlicht sah er einen riesigen Schwarm von Krähen. Sie warteten, so hatte es den Anschein, nur auf das Kommando, das ihnen den Angriff auf die verletzten Menschen erlaubte.
„Wo sind deine Papiere?“
Ohne Trollers Antwort abzuwarten, ließ Jane sich in sein Abteil hinunter und warf ihm von unten sein Jackett hoch. Dann saß sie auch schon wieder neben ihm.
„Wo hast du das Klettern gelernt?“
„Im Urwald.“
An Aufstehen war nicht zu denken. Der Gang war zu schmal. Sie mussten das äußere Fenster öffnen, um sich zu befreien. Jane hatte auf einmal einen Nothammer in der Hand und begann, die Scheibe aus dem Rahmen zu schlagen.
Dann standen sie auf der Seitenwand des umgekippten Waggons. Der Anblick, der sich ihnen bot, war erschütternd. Die Lokomotive war aus dem Gleisbett gesprungen und hatte die ersten drei Waggons mitgerissen. Aber nur der dritte, in dem Troller und Jane gewesen waren, war umgekippt. Die Waggons dahinter hatten sich offenbar gelöst und waren irgendwo weiter hinten ins Gelände gedonnert. Aus der Lokomotive stieg beißender Rauch.
Etwa hundert Reisende hatten sich aus den vorderen Waggons befreit und standen jetzt palavernd an der Unfallstelle. Einige bemühten sich, den Eingeschlossenen im dritten Waggon zu helfen.
„Komm“, sagte Jane.
Sie kletterten vom Waggon herunter und gingen nach vorn zur Lok. Troller hielt sich ein Taschentuch vors Gesicht, um sich gegen den beißenden Rauch zu schützen, Jane tat es ihm nach.
„Das gibt es nicht“, sagte Troller, als sie vorn angekommen waren. „Das kann es nicht geben.“
Was er im Schein des Mondlichts sah, war so widersinnig, dass er an seinem Verstand zweifelte. Auch Jane war sprachlos. Sie starrten auf die Gleise und konnten es nicht fassen. Der Anblick ergab einfach keinen Sinn.

    „Baumwurzeln?“, sagte der Alte und nahm einen Zug aus seiner Zigarette.
„Ja, Baumwurzeln. Die Schwellen waren von dicken Baumwurzeln hochgehoben worden. Die Schienen waren verbogen und an einigen Stellen gebrochen.“
„Dann will ich Ihnen jetzt mal was zeigen“, sagte der Alte. „Kommen Sie mal mit.“
Er ging mit ihnen über einen schlecht gepflasterten Hof, der von Unkraut überwuchert war. „Das war gestern auch noch nicht so, ob Sie’s glauben oder nicht. Aber davon rede ich nicht. Ich rede davon“, sagte er und öffnete das Tor zu einer Scheune, in der ein alter Traktor und ein klappriger Jeep standen.
„Ja und?“, sagte Troller.
„Warten Sie“, sagte der Alte. „Ich mach Licht.“
Er drückte auf einen Schalter, und es dauerte eine Weile, bis eine Neonröhre aufflammte. Und jetzt, im kalten weißen Licht, sah Troller es auch: Durch den Steinfußboden der Scheune war eine Baumwurzel gebrochen und hatte sich um die Vorderachse des Jeeps herum gewunden. „Sie können den Jeep haben“, sagte der Alte. „Für den vereinbarten Preis und für ein bisschen Arbeit. Die Axt steht da hinten an der Wand.“
„Wie lange steht der Jeep schon in der Scheune?“, fragte Jane.
„Ein paar Monate“, sagte der Alte. „Aber als ich vor drei Tagen hier nach dem Rechten gesehen habe, war die verdammte Wurzel noch nicht da, das können Sie mir glauben.“
„Es sieht wirklich so aus, als würden die Naturgesetze auf einmal verrückt spielen“, sagte Jane.
„Ja“, sagte der Alte und lachte ein heiseres Raucherlachen, „ja, genau so kann man es sagen. Kommen Sie, ich mach Ihnen was zu essen, wahrend Ihr Mann sich mit der Axt amüsieren kann.“
Ihr Mann, dachte Troller, während er mit der Axt auf die Wurzel einschlug und sich dabei bemühte, die Achse des Jeeps nicht zu beschädigen. Es war nicht zu glauben, wie zäh eine solche Wurzel sein konnte. Sie war nicht trocken, alt und morsch, sondern frisch und kräftig. Sie hing an ihrem Leben und offenbar auch an dem Jeep, den sie sich erobert hatte. Aber Troller konnte keine

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