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Gottes Gehirn

Gottes Gehirn

Titel: Gottes Gehirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Johler , Olaf-Axel Burow
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Lied anzustimmen. Nang-nang-nang-wong-nang-nang-nang . . . Der orthodoxe Jude zahlte. Gerade als das Essen kam, ging er an ihrem Tisch vorbei. Jane schaute ihm nach. Als er an der Tür war, entdeckte sie vor sich einen Zettel. „Hey“, rief sie, aber da hatte er das Lokal schon verlassen. Sie faltete den Zettel auseinander und las Troller die in krakeliger Schrift hingeworfene Aufforderung vor: „Gehen Sie in fünf Minuten auf die Straße. Nach rechts!“
„Eine Falle?“
„Von wem? Niemand weiß, dass wir hier sind. Ich nehme an, es ist eine Botschaft von Rubinowitz.“
Troller bedauerte, dass er das Essen stehen lassen musste. Sie hatten seit dem Frühstück nichts mehr gegessen.
„Hat’s Ihnen nicht geschmeckt?“, fragte die Kellnerin.
„Wieso“, sagte er, „ich hab’s doch noch gar nicht probiert.“
Mit nervösem Blick suchte er draußen die Umgebung ab. Erst nach einer Weile bemerkte er, dass ihm im Schritttempo ein Buick mit dunkel getönten Scheiben folgte. Den Fahrer konnte man nicht erkennen. Er hupte kurz und blieb neben Troller und Jane stehen. Troller zögerte und gab Jane ein Zeichen abzuwarten.
Die Beifahrertür öffnete sich. Troller sah den orthodoxen Juden, der am Steuer saß und sich über den Beifahrersitz lehnte. „Steigen Sie ein, kommen Sie!“
Troller stieg vorn ein, Jane hinten. Noch bevor sie die Tür zugeschlagen hatte, fuhr der Bärtige los.
„Jetzt nicht“, sagte er, als Troller ihn fragte, wohin sie fuhren. „Aber Sie brauchen keine Angst zu haben.“
Er konzentrierte sich ganz auf den Verkehr und schaute immer wieder in den Rückspiegel, offenbar um zu sehen, ob sie verfolgt würden. Troller kam es so vor, als passierten sie mehrmals die Market Street. Dann fuhren sie in Richtung SoMa, wie die Bewohner San Franciscos das etwas zwielichtige Viertel nannten, das South of the Market lag. Weite, verlassene Straßen mit spärlicher Beleuchtung. Ein Industriegebiet mit einer Mischung aus Autohändlern, Pfandhäusern, Fabriken, Maschinenhallen. Und Nachtclubs.
„Wollen Sie uns in das Nightlife von Frisco einführen?“, fragte Jane, als sie die Folsom Street hinunter vorbei an der Paradise Lounge fuhren.
Der Bärtige schien immer noch nicht zu einem Gespräch aufgelegt zu sein. Er blickte immer wieder in den Rückspiegel und schien kurzfristig Entscheidungen über einen Richtungswechsel zu treffen. Endlich bog er in einen unbeleuchteten Fabrikhof ein, öffnete per Fernbedienung das Rollgitter einer Maschinenhalle, fuhr hinein und ließ das Tor wieder herunter.
Wenn das eine Falle ist, sind wir erledigt, dachte Troller.
„Kommen Sie“, sagte der Bärtige. Er hatte jetzt eine Taschenlampe in der Hand und zog einen Schlüsselbund hervor. Er öffnete und schloss nacheinander mehrere Metalltüren, die durch verlassene Maschinen- und Abstellräume führten, bis sie vor einem wenig Vertrauen erweckenden Lastenaufzug standen.
Es knackte, als sie losfuhren. Der Fahrstuhl rumpelte ein bisschen und fuhr dann surrend nach oben.
Vierter Stock. Fünfter Stock.
Der Bärtige öffnete die Drahttür und gab ihnen Zeichen, ihm zu folgen. Seine Taschenlampe beleuchtete einen violetten Teppichboden und weiße Wände, an denen Bilder und Plakate hingen. Am Ende des Vorraumes war wieder eine verschlossene Stahltür. Der Bärtige öffnete sie, schaltete das Licht an, und als sie das Loft betraten, bot sich ihnen plötzlich ein atemberaubender Ausblick über die Bay von San Francisco. Troller erkannte die Hafenanlagen und dahinter schemenhaft Alcatraz, die berüchtigte Gefängnisinsel. Rechts lag die beleuchtete Autobrücke, die über die Bay nach Oakland führte, links sah man die Türme des Embarcadero Centers.
„Warten Sie einen Moment“, sagte der Bärtige, nachdem er die Stahltür wieder verschlossen hatte, und verschwand in einem anderen Raum.
Das Loft war elegant eingerichtet, Bücherregale bedeckten die hohen Ziegelsteinmauern; eine Sitzgruppe aus weißen Ledermöbeln; ein Designer-Schreibtisch, bestehend aus zwei Marmorblöcken und einer sehr langen geschwungenen Glasplatte, der auf einem Holzpodest so positioniert war, dass man beim Arbeiten den Blick über die Bay genießen konnte.
„Ich fürchte, zu einem solchen Plätzchen bring ich es nicht mehr“, sagte Troller.
„Diesen Platz hätte ich auch gern“, sagte eine Stimme aus dem Hintergrund. „Das Loft gehört einem Freund. Ich glaube, hier sind wir sicher.“
Troller drehte sich um. Kein Zweifel: Dieser drahtige Mittfünfziger

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