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Gottes Gehirn

Gottes Gehirn

Titel: Gottes Gehirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Johler , Olaf-Axel Burow
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all den Jahren harter Arbeit und vergeblicher Kämpfe. Sie sollten mich mal besuchen, wenn ich wieder in besserer Verfassung bin.“

DAIMLER MAN
    Ich habe ein Taxi und keinen Hubschrauber“, knurrte der Schwarze. „Sie hatten mich um 11.30 Uhr bestellt, und jetzt haben wir 12.13 Uhr. Vergessen Sie Ihren Flieger.“ Er spuckte auf den Boden.
    „Hören Sie auf zu jammern“, sagte Jane, „wir müssen die Maschine bekommen. Wir zahlen Ihnen das Doppelte.“
Troller betrachtete den Schwarzen mit gemischten Gefühlen. Sein zerknittertes Gesicht ließ nur vage das Alter erahnen. Aber so viel war sicher: Er war jenseits der Siebzig, und sein Daimler war auch nicht mehr der Neueste. Die Polster waren völlig durchgesessen, die Farbe der Bezüge ausgeblichen. Noch nie hatte Troller in einem so schäbigen Wagen gesessen. Wieso hatte eine solche Kiste noch eine Zulassung? Er kannte sich nicht mit den Modellen aus, aber zwanzig Jahre hatte der Diesel mindestens auf dem Buckel.
Der Alte schien seinen Blick aufgefangen zu haben. Während er mit jaulenden Reifen in Richtung Freeway jagte, drehte er sich um und sagte: „Feines Maschinchen. Da lasse ich keinen Mechaniker ran. Ich höre genau, wenn da was nicht stimmt. Die Ventile stelle ich auf Postkartenabstand ein.“ Er nahm den Arm vom Steuer und hielt Jane seine rechte Hand mit nach oben stehendem Daumen zwischen den Kopfstützen hindurch hin: „Feiner als mein Daumennagel. Das können diese jungen Kerle gar nicht mehr.“ Entgeistert blickte Jane auf diesen breiten, faltigen schwarzen Daumen, aus dem ein nikotinvergilbter, ungepflegter Nagel hervorragte. „Schauen Sie nach vorn und beeilen Sie sich“, sagte sie unwillig.
Doch der Alte ließ sich nicht beirren. „Was glauben Sie, was der Schlitten auf dem Tacho hat?“
„Was weiß ich.“
„Sie werden staunen, Lady“, sagte er und fädelte sich mit traumhafter Sicherheit in die dichten Schlangen des Freeways ein. „Achthundertfünfundzwanzigtausend Meilen. Und alles mit einer Maschine. Yeah, Lady! Hören Sie das Hämmern des Diesels?“ Er neigte den Kopf zur Seite und lauschte auf den Motor. „Das ist Musik, das ist der reinste Blues. Haben Sie so einen Schlitten schon mal erlebt?“
    „Darf man in Kalifornien denn überhaupt noch Diesel fahren?“, fragte Troller.
„Ich hab ’ne Ausnahmegenehmigung“, sagte der Alte. „Natürlich nur für diesen hier.“
Trollers Hände stemmten sich gegen die Lehne des Vordersitzes, sein Fuß betätigte eine imaginäre Bremse. Der Kühlergrill war höchstens fünf Meter vom Heck eines Dodge entfernt.
„Ein bisschen mehr Abstand, bitte“, sagte Jane.
„Hey, Lady“, sagte der Schwarze, „erst machen Sie einem armen Senior, der eigentlich seinen wohlverdienten Ruhestand in Miami auskosten sollte, soviel Dampf, dass er fast ’nen Herzinfarkt kriegt, und dann haben Sie auf einmal Schiss.“ Er fuhr für einen Moment noch naher auf den Vordermann auf und drehte sich grinsend um. „Sie trauen mir wohl nichts zu? Was glauben Sie denn? Der Schlitten hat doch nur so viel auf dem Buckel, weil ich ihn gefahren habe. Und ich liebe ihn, Lady, das können Sie mir glauben. Der ist was Besonderes. Ich war von Anfang an vernarrt in den Daimler. Ich hab den damals günstig geschossen. Verdammt günstig.“ Für einen Moment ließ er das Steuer los und klopfte sich mit beiden Händen auf die Schenkel. „Oh, Mann, was haben meine Kollegen mich für einen Spinner gehalten. Daimler Man haben sie mich genannt. Tun sie heute noch.“ Er tippte sich an die Stirn. „Die mit ihren Chevys, Buicks und Lincolns. Die Kisten sind alle schon verschrottet, nur der Daimler Man fährt noch seinen Schlitten. Der ist zeitlos. Kommt nie aus der Mode. Und ich fahr ihn so lange, bis einer von uns beiden den Geist aufgibt. Was meinen Sie, Lady, wer von uns hält länger: ich oder er?“ Er drehte sich wieder um und grinste so breit, dass seine vergilbten Zahnstummel zu sehen waren.
„Schwer zu sagen“, sagte Jane, „bei zwei Methusalems.“
„Yeah“, sagte der Alte lachend. „Methusalems, that’s what we are.“
Troller schaute auf die Uhr. Sie hatten noch genau zweiundvierzig Minuten bis zum Abflug nach Boston, und der Verkehr war ziemlich dicht. Wenn sie die Maschine nicht bekämen, wäre der Termin mit Lennart Lansky geplatzt. Dabei war Troller glücklich gewesen, dass es überhaupt gelungen war, so schnell einen Termin mit Lansky zu bekommen. Lansky war die Koryphäe auf dem Gebiet der

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