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Gottes Gehirn

Gottes Gehirn

Titel: Gottes Gehirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Johler , Olaf-Axel Burow
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öffnen Sie doch mal das Attachment.
„Ich hatte gehofft, wir wären den Kerl los“, sagte Troller.
„Ich auch.“
„Aber er weiß doch nicht, wo wir sind. Dass er deine E-Mail-Adresse hat, besagt ja noch nichts.“
„Das nicht“, sagte Jane und klickte auf die wav-Datei, die der E-Mail als Attachement angefügt war, „aber das.“
Ein kurzes, jazziges Vorspiel ertönte, und Troller ahnte schon, worauf es hinauslief. „Schsch-Chicago, Chicago – that toddlin’ town“, sang die Stimme, „the Voice“, Frank Sinatra, und die Botschaft, die darin steckte, dass er gerade diesen Song trällerte und nicht etwa New York, New York, war mehr als beunruhigend. Der sogenannte Freund oder die Organisation wusste, dass sie hier waren. Wahrscheinlich hatten sie Zugang zu den Computern aller Fluglinien und Autovermietungen. Aber auch zu denen der Hotels? Wussten sie, dass Jane und er in diesem Hotel übernachteten? In diesem Zimmer?
„Wir sollten morgen wieder das Auto wechseln“, sagte er leise, „vielleicht schaffen wir es ja doch noch, sie abzuhängen.“
„Mal sehen.“ Jane zitterte ein wenig. Vor Kälte? Vor Angst? „Sag mal, Troller?“
„Ja?“
„Kann ich heute Nacht bei dir bleiben?“
„Aber ja. Sicher.“
„Ich kann ja auf dem Sofa schlafen“, sagte sie mit einem Lächeln.
„Nein, nein, ich schlafe auf dem Sofa.“
Es gab gar kein Sofa. Es gab nur das Queensize-Bett, das für einen allein zu groß und für zwei zu klein war, wenigstens für zwei, die einander nicht berühren wollten. Es ließ sich allerdings nicht vermeiden, dass sie sich berührten, aber der Gedanke, der Troller für einen Augenblick durch den Kopf schoss, der Gedanke, ob er mit ihr schlafen sollte oder ob sie das womöglich gar von ihm erwartete, wurde nach einigem Hin und Her von ihm verworfen. Es war nicht der richtige Moment. Auch wenn sie beide nicht wissen konnten, ob sie den nächsten Tag noch überleben würden – es sollte nicht die Angst sein, die sie zusammenbrachte. Außerdem schlief Jane schon. Sie hatte sich im Schlaf oder im Halbschlaf auf seinen Arm gelegt, auf seine Schulter, und atmete nun tief und gleichförmig. Offenbar fühlte sie sich sicher bei ihm. Und für ihn war es ja egal, ob er nicht schlafen konnte, weil sie meilenweit entfernt von ihm in ihrem Zimmer lag, oder ob er nicht schlafen konnte, weil sie neben ihm auf seinem Arm lag. Oder nein, es war nicht egal.

    „Mir ist noch eine Sache eingefallen“, sagte Jane, als sie am nächsten Morgen am Frühstückstisch saßen. Es gab ein reichhaltiges Büffet, mit einem Haufen Cereals, Pancakes und Eiern in allen Variationen. Beim Frühstück war die allamerikanische Furcht vor Cholesterin noch nicht erwacht.
„Was ist dir eingefallen?“
„Bach.“
„Ahaa.“ Es war dieses typisch amerikanische Ahaa, das sie seit einer Woche ununterbrochen hörten und inzwischen selber übernommen hatten. Dieses unbestimmte, immer etwas ironisch klingende Aha, das bei jeder Gelegenheit benutzt wurde. Man ging zum Flughafen, sagte, man wolle ein Ticket kaufen, und die Stewardess sagte ahaa – als sei sie nicht ganz sicher, ob man es auch wirklich ernst meinte. Oder man ging ins Restaurant und sagte, man wolle einen Tisch für zwei Personen, und der Kellner sagte ahaa, als hätte man einen höchst ungewöhnlichen Wunsch geäußert. Oder man ging ins Hotel und sagte, man wolle zwei Einzelzimmer, und das Mädel an der Rezeption sagte ahaa, als müsse sie erst mal darüber nachdenken, ob es hier überhaupt Zimmer gab und wenn ja, ob es mit den Sitten des Landes vereinbar wäre, an ein Paar zwei Einzelzimmer zu vermieten. Es klang immer leicht nasal, dieses Ahaa, ein bisschen blasiert und belustigt. Auf jeden Fall reizte es zur Nachahmung. Und Troller war an diesem Morgen bester Laune.
„Bach hat die Gehirne verändert, und die Gehirne haben die Welt verändert“, sagte Jane. „Richtig?“
„Keine Ahnung, ob das richtig ist, aber das ist die Theorie von Behrman.“
„Die Gehirne ticken – oder schwingen – auf eine bestimmte Weise, und wenn sich diese Art und Weise ändert, dann ändert sich die Welt. Okay?“
„Yes, Ma’am.“
„Gut. Und da sich im Augenblick die Welt ziemlich dramatisch ändert, müssen wir davon ausgehen, dass sich die Gehirne verändert haben oder dass sie dabei sind, sich zu verändern.“
„Yup.“
„Kann das nicht was mit unseren verschwundenen Gehirnen zu tun haben?“
„Und wie?“
Aber bevor Jane genauer sagen konnte, was sie sich

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