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Gottes kleiner Finger - [Thriller]

Gottes kleiner Finger - [Thriller]

Titel: Gottes kleiner Finger - [Thriller] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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nächstgelegenen Heliumtanks waren völlig leer. Sie hatten schwarze, hässliche Löcher. Der Stoff der Tanks hing traurig und schlaff herab, und das ganze Luftschiff war zu einem V-förmigen Gebilde deformiert, wie eine dicke Zigarre, die ein wütender Mann in der Hand zerknickt hatte. Auch die Tanks an Bug und Heck hatten offenbar Lecks bekommen, denn Katharine sah, dass der Stoff des Luftschiffs immer mehr in sich zusammenfiel. Dann begann die Desert Queen wie in einem verlangsamten Film zu sinken, anfangs sehr langsam, aber dann, als die Tanks sich leerten und der Stoff immer schlaffer wurde, beschleunigte sich ihr Fall.
    Es fällt direkt auf den Turm, dachte Katharine.
    Entsetzt sah sie, wie das Heck der Desert Queen auf den oberen Rand des Sonnenturms aufschlug, ungefähr an der Stelle, wo die auf dem Turm angebrachte Hotchkiss platziert war. Mustafa, dachte Katharine erschüttert. Er hatte keine Chance zu überleben! Und Razia? Raphaela? Nersi? Sie alle waren in das Luftschiff gestiegen!
    Die Schnauze der Desert Queen streifte im Fall die Flanke des Turms und fiel auf das Gewächshaus zu. All das geschah unwirklich langsam. Katharine hatte immer noch das Dröhnen in den Ohren, aber sie konnte sich die knirschenden Geräusche vorstellen, wenn die Rahmen der dünnen, hohlen Metallröhren aus einem Magnesium-Aluminium-Gemisch nachgaben und sich unter dem Gewicht verbogen. Sie konnte in Gedanken das Geräusch des Reißens hören, wenn der Stoff der Heliumtanks nachgab.
    Die Bewegung des Luftschiffs verlangsamte sich. Die Schnauze bewegte sich noch nach unten, aber der hintere Teil blieb an seinem Platz.
    Würde die Desert Queen in zwei Teile zerbrechen?
    Mit angehaltenem Atem wartete Katharine.
    Nein, es sah so aus, als würde das Luftschiff nicht zerbrechen. Zumindest noch nicht. Es blieb halb auf dem Turm liegen. Das Heck befand sich zum Teil im Inneren des Schornsteins, im Leeren. Der Bug hing am äußeren Rand des Turms herab. Die Metallrahmen des Luftschiffs und die Stoffmassen waren offenbar irgendwo so fest hängen geblieben, dass das Schiff nicht zerbrechen und nicht herunterstürzen konnte.
    Die unbeschädigte Hälfte des Cockpits hing ein paar Dutzend Meter unterhalb des Turmrandes. Anscheinend hing es jetzt an den schon fast völlig entleerten Stoffen der Heliumtanks und an den daraus hervorstechenden, halb zerschmetterten und an vielen Stellen zerbrochenen Metallrohren. Der Anblick war surrealistisch, er erinnerte Katharine an das Skelett eines riesigen Wals. Aus dem Cockpit stieg weiterhin schwarzer Rauch auf.
    »Die Hotchkiss«, ächzte Ulrich. »Wir haben das Luftschiff und die Hotchkiss des Sonnenturms verloren. Das war die Hälfte unserer Feuerkraft!«
    Katharine hörte nicht, was Ulrich sagte, ihr klangen die Ohren immer noch wie ein heulendes Lautsprechersystem, aber sie konnte die Worte von seinen Lippen ablesen.
    Jetzt sind wir völlig von der Außenwelt abgeschnitten, dachte Katharine finster.
    Aber war die ganze Besatzung des Luftschiffs bei der Explosion ums Leben gekommen, oder könnte dort noch jemand am Leben sein? Falls noch jemand lebt, müssen wir ihn dort herausholen, dachte Katharine, sonst ersticken sie im Rauch oder verbrennen. Razia! Ich muss Razia helfen, falls sie noch lebt. Ich muss feststellen, ob sie noch am Leben ist, sonst kann ich es mir niemals verzeihen, dass ich nichts unternommen habe. Dass ich es nicht einmal versucht habe!
    Katharine und Janet sahen, dass Reino Keskitalo auf sie zugelaufen kam. Sein Mund stand offen, folglich rief er etwas. Aber sie konnten immer noch nichts anderes hören als das schrille, schneidende Heulen. Dann war Keskitalo bei Katharine angekommen. Er war deutlich wegen etwas besorgt.
    »Ich höre nichts«, rief Katharine ihm entgegen.
    Sie konnte ihre eigene Stimme nicht hören.
    Keskitalo wandte sich direkt Katharine und Janet zu und sprach jetzt sehr langsam und sorgfältig artikulierend, sodass sie die Worte von seinen Lippen ablesen konnten.
    »Da kommt irgendetwas näher«, rief Keskitalo tonlos. »Auf dem Radarschirm sind zwei Punkte.«
    »Oh verdammt«, sagte Janet. »Jetzt geht es los.«
    Ich kann so etwas nicht, dachte sie, ohne es jedoch laut auszusprechen. Ich habe mit solchen Dingen keinerlei Erfahrung. Jetzt müsste Lauri statt meiner hier sein. Und zu allem Überfluss kann ich nicht einmal hören!

2
    Als Lauri die Augen öffnete, sah er nur Fels, überall, über sich und unter sich und zu beiden Seiten. Dann bemerkte er, dass

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