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Gottes kleiner Finger - [Thriller]

Gottes kleiner Finger - [Thriller]

Titel: Gottes kleiner Finger - [Thriller] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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ruhte sich einen Augenblick aus. Dann gelang es ihr wieder, aus irgendeiner unsichtbaren Quelle Kraft zu schöpfen, und sie schleppten sich, Schritt für Schritt, tiefer in den Cañon hinein. Irgendwann verlor Lauri wieder das Bewusstsein. Haltlos fiel ihm der Kopf auf die Brust, und einen Augenblick lang musste Khadidja sein ganzes Gewicht aushalten, obwohl ihre Glieder ohnehin schon um Gnade flehten.
    Als Lauri wieder zu sich kam, sah er, dass sie harten Stein unter den Füßen hatten und dass sie sich immer noch in dem tiefen Cañon befanden. Die Schlucht maß stellenweise nur wenige Meter, verbreitete sich aber immer wieder zu einer viel größeren Steinstraße. Die Wände fielen senkrecht ab. Sie waren mehrere Hundert Meter hoch und furchterregend steil. An vielen Stellen bestanden sie aus Massen von stark erodierten Steinblöcken, die den Eindruck machten, als könnten sie jederzeit herunterfallen und sie unter sich begraben. Ebensolche Steinblöcke lagen auch einzeln oder in großen Haufen auf dem steinigen Grund des Cañons herum. Bisher hatten sie die größeren Erdrutsche umgehen können, wenn aber einer davon den ganzen Grund des Cañons verschütten würde, dann wäre ihnen der Weg abgeschnitten. Sie hatten nicht mehr die Kraft, um über haushohe Steinblöcke zu klettern.
    Hinter der nächsten Biegung senkte sich die Sohle des Cañons ab, und statt des ebenen, stellenweise glatten Felsens sahen sie vor sich eine bodenlose Schlucht. Es war unmöglich, ihre Tiefe abzuschätzen. Beiderseits führte eine schmale Felszunge an der Schlucht entlang.
    Die sie umgebenden Felswände waren überall praktisch lotrecht, stellenweise neigten sie sich sogar dem Mittelteil des Cañons zu. Khadidja blieb stehen. Sie ließ Lauri auf die Erde hinab und rüttelte ihn wach.
    »Wo bin ich ...?«, fragte Lauri im Fieber. »Alice? Du bist gar nicht tot ... Alice, es tut mir so leid, dass ...«
    Khadidja legte Lauri einen Finger auf den Mund und unterbrach ihn.
    »Du musst mir jetzt ein bisschen helfen«, sagte sie leise, fast zärtlich. »Allein schaffe ich es nicht.«
    »Ja ... gut«, lallte er.
    In der Wand des Cañons, direkt über dem Boden, klaffte ein waagerechter Spalt. Khadidja schob Lauri unter den Vorsprung. Der Spalt war sehr niedrig, nur wenige Dutzend Zentimeter hoch. Vor ihm lag nur schwarze Finsternis.
    »Tiefer hinein«, kommandierte Khadidja und schob Lauri vorwärts.
    Sie robbten tiefer in die niedrige Höhle hinein, der Felsen zerkratzte ihnen Arme und Rücken. Einmal glaubte Lauri schon, er stecke fest, aber Khadidja schob ihn durch die enge Stelle hindurch. Weiter vorn schimmerte mattes Licht. Langsam wurde es heller, und der Riss weitete sich zu einem engen Tunnel. Seine Wände waren mit Tausenden von kleinen Schieferungsflächen bedeckt, als wäre er von Menschenhand gebrochen. Der Gang endete am Grund eines senkrechten Risses. Er war so schmal, dass sie sich nur mit Mühe und Not hineinzwängen konnten, und weiter oben wurde er noch enger.
    »Hier hinauf«, flüsterte Khadidja.
    »Du machst ... wohl Witze«, ächzte Lauri. »Da passen wir doch nicht hinein!«
    Sie begannen, den Riss hinaufzuklettern. Mit den Füßen suchten sie Halt an kleinen Unebenheiten, Vorsprüngen und Rissen, wobei sie sich mal hochzogen, mal aufwärtsschoben. Lauri war schweißgebadet, und seine Finger und Arme waren bald von Kratzern und Schrammen übersät. Zwischendurch verlor er immer wieder das Bewusstsein, es fehlte nicht viel, und er wäre wieder abwärtsgerutscht. Er erwachte davon, dass Khadidja ihn ohrfeigte. Lauri konnte es sich nicht erklären, woher sie immer wieder neue Kraft schöpfte.
    Schließlich, nach tausend kleinen Ewigkeiten, gelangten sie auf eine waagerechte Ebene und fielen darauf nieder. Sie konnten nicht mehr.
    In Lauris Augen drehte sich alles, und er versank irgendwo in der Tiefe, im Erdinneren, in einer bodenlosen Schlucht.

Drei
    Z ERBROCHENES G LAS

1
    Ich höre nichts, dachte Katharine. Die Explosion hatte ein dumpfes Dröhnen in ihren Ohren hinterlassen, aber sie sah, wie etwas Scharfes und metallisch Glänzendes gegen das Geländer schlug und seitlich davon abprallte.
    Als Katharine sich umsah, bemerkte sie, dass das Cockpit des Luftschiffs entzweigerissen war. Von der einen Hälfte war nichts mehr übrig außer in alle Richtungen starrende, scharfkantige Fetzen dünner Metallplatten und verbogene Rohrstücke. Die andere Hälfte war noch ganz, aber es stieg schwarzer Rauch daraus auf. Die

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