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Gottes kleiner Finger - [Thriller]

Gottes kleiner Finger - [Thriller]

Titel: Gottes kleiner Finger - [Thriller] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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sollte so etwas erleben müssen wie ihr jetzt. Niemand. Alle sollten das Recht haben, wenigstens ein wenig würdevoller zu sterben. Aber wenn wir euch mit Feuerwaffen aufhalten würden, dann würdet ihr nur ein bisschen anders sterben, und einige von uns könnten zusammen mit euch ums Leben kommen.
    Auf dem Monitor sahen sie, dass im Gewächshaus der Wind plötzlich heftig zu blasen begann. Die Jacken der Männer blähten sich und flatterten in dem wütenden Luftzug. Dann, eine Sekunde später, saugte der Wind die Männer mit sich fort wie Stoffpuppen. Sie verschwanden einfach aus dem Blickfeld, so als wären sie nie da gewesen.
    Janet stellte sich ihre Schreie vor, als sie in das offene Turbinengehäuse hineingesaugt wurden und der Luftstrom, der mit der Stärke eines Tornados blies, sie mit sich in den gewaltigen leeren Schacht hinaufriss. Sie stellte sich vor, wie die Männer in rasendem Tempo aufwärts, gen Himmel, geschleudert wurden. Vor ihrem inneren Auge sah sie, wie die Angreifer einen Augenblick später hoch über den Sonnenturm hinauf zum Nachthimmel und fast bis zu den Wolken flogen, wie ihre Geschwindigkeit sich verlangsamte, die Schwerkraft sie erfasste und ihren Griff verstärkte, wie sie zum Stillstand kamen und anfingen zu sinken, und wie sie dann in ständig beschleunigtem Fall, vor Entsetzen schreiend, dem viele Kilometer weiter unten wartenden gläsernen Gewächshaus entgegenstürzten.
    Keskitalo war immer noch totenbleich.
    »Gibt es im Schornstein eine Kamera?«, fragte Janet.
    »Ja. Aber ... möchtest du wirklich sehen, was da geschieht?«, fragte Keskitalo verwundert.

10
    Jaime Oroza fiel kopfüber in die bodenlose, schwarze Leere. Lähmende, grauenerregende Angst durchfuhr ihn. Er schrie vor Entsetzen, hörte aber seine eigene Stimme so, als käme sie von sehr weit her.
    Das Ende, dies ist das Ende, dachte Jaime.
    Trotz der Panik versuchte ein rationaler Teil seines Gehirns verzweifelt zu berechnen, wie viele Sekunden vergehen würden, bevor er auf den am Grunde des Schornsteins wartenden großen Windturbinen zerschmettert würde.
    Dann ein bedrängender, heftiger Schmerz an Brust und Achselhöhlen, und sein Fall endete.
    Jaime öffnete die Augen. Ihm wurde bewusst, dass er im Inneren des Sonnenturms hing und direkt nach unten schaute. Er sah ein etwa zweihundert Meter langes Stück senkrechter Betonwand, und dann nichts als Schwärze.
    Jaime wagte nicht, sich zu rühren, und versuchte, ruhig zu atmen. Er drehte den Kopf, sehr vorsichtig und nur so wenig wie möglich, sodass er ein Stück nach oben sehen konnte. Das Seilbündel, das um seinen Körper lag, war an einem Stück Armierungseisen hängen geblieben, das aus dem oberen Rand des Turms herausragte. An einem Stück Eisen, das noch nicht abgeschnitten worden war.
    Jesus, hab Dank, dachte Jaime.
    Dann sah er, dass das Armierungseisen begann, sich langsam, aber sicher nach unten zu biegen. Es ragte vielleicht einen halben Meter aus der Wand des Turms heraus, und das Seilbündel hatte sich an seinem Ende verfangen. Das Eisen war nicht sehr dick, und es hielt sein Gewicht nicht aus, ohne sich zu verbiegen.
    Ich nehme zurück, was ich gesagt habe, dachte Jaime bitter, als das Armierungseisen sich zu einem immer steileren Winkel verformte. Ihm wurde klar, dass das Seilbündel bald von dem Eisen abrutschen würde. Dadurch, dass das Eisen sich bog, gelangte Jaime näher an die Wand des Schornsteins heran, sie war nur noch eine gute Armlänge entfernt, aber das würde ihm wohl nichts nützen. Die Wand war zu glatt, es gab daran nichts, woran er sich hätte festhalten können. Sobald das Seilbündel von dem Armierungseisen herabgeglitten war, würde er in die Tiefe stürzen.
    »Hilfe!«, rief Jaime. »Ich falle! Katharine!«
    Tatsächlich aber glaubte er nicht, dass sie ihn hören konnte. Er hatte noch gesehen, wie die Druckwelle Katharine gegen die Außenwand des Sonnenturms geschleudert hatte.
    Jaime schloss die Augen und wartete. Er wusste, dass sein Fall diesmal viel länger dauern würde. Diesmal würde nichts unter ihm sein, was seinen Sturz aufhalten könnte.
    Jaime spürte, wie sein Rücken sich gegen die Turmwand legte. Noch einen Augenblick, und ...
    Doch nichts geschah. Jaime spähte vorsichtig nach oben. Er sah, dass das Armierungseisen nachgegeben und sich in einem rechten Winkel nach unten, zur Innenwand des Turms hin, gebogen hatte. Aber an seinem Ende befand sich ein kleiner Haken, an dem das Seilbündel immer noch fest hing. Der

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