Gottes kleiner Finger - [Thriller]
wieder so sein wie früher.«
Razia schloss die Augen, und eine Träne kullerte ihr über die Wange. Katharine schluckte. Wahrscheinlich hatte Razia ihr nicht geglaubt.
»Jetzt musst du dich ausruhen«, sagte Katharine sanft.
Razia schüttelte den Kopf. Sie umfasste auch mit der anderen Hand Katharines Arm. Katharine sah, dass etwas sie sehr beschäftigte.
»Es gibt etwas ... das ihr wissen solltet«, sagte Razia.
Aber Katharine sah, dass das Morphium schon zu wirken begann. Razia fielen die Augen zu.
»Razia, das hat Zeit. Du musst es jetzt ruhig angehen lassen.«
»Nein, es hat ... eigentlich ... keine Zeit«, flüsterte Razia. »Du musst Janet sagen, ... dass ... dass ...«
»Ja?«, fragte Katharine.
Aber da war Razia schon eingeschlafen. Katharine kehrte in den Kontrollraum zurück.
»Wie ist die Lage?«, fragte sie.
Mit ein paar Sätzen erklärte Janet die Konstellation.
»Es sind zu viele«, wiederholte Katharine schlicht.
»Wir sind gut bewaffnet«, sagte Janet. »Sehr gut bewaffnet.«
»Nur dass wir unsere Waffen nicht einsetzen können«, sagte Katharine.
Sie erschrak ein wenig, als sie bemerkte, wie verbittert ihre Stimme klang.
»Wir würden schon zurechtkommen, wenn ...« Katharine vollendete den Satz nicht.
»Leider hat Lauri recht«, sagte Janet. »Wir können keine ägyptischen Staatsangehörigen töten, wenn wir wollen, dass dieses Kraftwerk hier bleibt und auch noch im nächsten Jahr Strom und Wasser produziert.«
»Ist das in dieser Situation nicht schon ein allzu gandhimäßiges Prinzip?«, fragte Katharine.
»Nicht, wenn wir dieses Kraftwerk retten wollen«, antwortete Janet fest. »Das, was Lauri die ganze Zeit gesagt hat, ist wahr. Wenn die Menschen, die in der Umgebung von Gottes Kleinem Finger wohnen, ihn einmütig verteidigen, dann kann niemand es mehr zerstören. Wenn sie sich aber dagegen wenden, können wir es auf Dauer nicht schützen. Selbst wenn wir hier alle Krisenmanagementtruppen der Vereinigten Staaten und Europas konzentrieren würden. Nein, ich will nicht, dass aus dem, was wir hier tun, wieder nur ein neuer Faktor wird, der zu noch mehr Toten führt und die Spirale der Gewalt beschleunigt.«
Katharine nickte widerstrebend. Vielleicht hatten Janet und Lauri recht. Wir sind immer bereit zu gewaltigen Anstrengungen und zu rücksichtslosem pauschalem Blutvergießen, auch wenn es nur darum geht, das Leben eines einzigen unserer Mitbürger zu retten. Aber zugleich behandeln wir die Bürger aller anderen Länder so, als hätte ihr Leben überhaupt keinen Wert. Ist das nicht die beste Methode, um zu erreichen, dass alle uns hassen? Vielleicht sollten wir es genau umgekehrt machen.
»Also sollen wir sie einfach kommen und uns alle töten lassen?«
»So weit wird es nun vielleicht doch nicht kommen«, murmelte Janet.
»Hoffentlich nicht. Was aber soll sie dann aufhalten? Was werden wir tun? Konkret?«
Janet schaute auf die Uhr.
»Abdullah hat die Kolonne vierzig Kilometer von hier angehalten. Ich würde sagen, dass sie zu Fuß bis zum Zaun mindestens acht Stunden brauchen, wenn nicht noch mehr. Und sie werden sich nicht unbedingt sofort in Bewegung setzen. In sengender Sonne zu marschieren ist anstrengend, zumal wenn sie Waffen, Munition und Lebensmittel zu tragen haben. Kann sein, dass sie sich erst am Abend in Bewegung setzen, wenn die Sonne untergegangen ist und wenn es etwas kühler wird.«
»Das gibt uns etwas Spielraum«, sagte Katharine. »Was aber danach? Früher oder später kommen sie doch hierher.«
Wieder klingelte das Telefon. Diesmal kam der Anruf von Süden, von Hoa.
»Eine große Kolonne nähert sich auf der Straße. Mindestens vierzig Lkws.«
»Halte sie mit einer EMP auf«, befahl Janet.
»Okay«, sagte Hoa.
»Das Netz zieht sich zusammen«, kommentierte Katharine. »Sie greifen von zwei Seiten gleichzeitig an. Du und Lauri, ihr hattet doch noch etwas in petto, wovon ihr uns nichts erzählt habt?«
»Was meinst du?«, fragte Janet. Sie hatte vor Verwunderung runde Augen und bemühte sich, unschuldig zu wirken.
»Hör doch auf!«, sagte Katharine. »Ich kenn doch Lauri. Er hat eine schmutzige Fantasie. Er ist ein Meister darin, sich abscheuliche Überraschungen auszudenken, und er hat dich mit Sicherheit über die wichtigsten kleinen Tricks informiert, bevor er mit Abu Hassan zu Azhrawi gefahren ist.«
13
Die Sonne war untergegangen, und die Wüste ringsum war dunkel und still.
»Ist die Uhr da irgendwie kaputt?«, fragte Keskitalo und
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