Gottes kleiner Finger - [Thriller]
nach.
Eine Stunde später sah er aus dem linken Augenwinkel eine flüchtige Bewegung. Er wandte den Blick dorthin. Etwas Helles, gerade noch Erkennbares stieg dort in die Luft auf. Staub?
Stiegen seine Gegner gerade so weit entfernt zum Talgrund ab, dass er sie nicht sehen konnte? Lauri wandte sich um und betrachtete die Landschaft zu seiner Rechten. Er meinte, auch dort kleine Staubwölkchen aufsteigen zu sehen. Er hatte den Eindruck, dass der Staub von der Talsohle kam.
Die Stoßtrupps der Terroristen hatten also schon den Talgrund erreicht, wahrscheinlich gleichzeitig beiderseits von ihm. Höher hinaufzuklettern würde einige Zeit in Anspruch nehmen, aber das hatte keine große Bedeutung mehr. Der Fluchtweg war ihm auf jeden Fall abgeschnitten. Der Kampf war vorbei.
Die ihn bedrängenden Männer hatten offenkundig weder die Absicht, aufzugeben noch die Flucht anzutreten. Lauri verstand nicht, wie das möglich sein konnte, aber die Schlussfolgerung war klar und einfach. Er würde nicht lebend davonkommen. Er saß in der Falle. Es blieb ihm kein einziger Schachzug mehr, der das Endergebnis des Kampfes beeinflussen konnte.
»Na, wenigstens hat dieser verdammte Durst dann ein Ende«, murmelte Lauri vor sich hin.
Es tut mir leid, Katharine, dachte er dann. Ich habe mein Bestes getan, glaub mir, aber diesmal hat das einfach nicht gereicht.
Die Zeit verging im Schneckentempo. Lauri sah auf die Uhr. Fünfzig Minuten waren vergangen, seit er die Staubwölkchen entdeckt hatte. Gleich geht es los, dachte er und nahm wieder einige Schluck Wasser, denn eigentlich gab es keinen Grund mehr, sparsam damit umzugehen. Dann sah er aus dem linken Augenwinkel ein helles Aufblitzen, als Sonnenstrahlen von Metall oder Glas reflektiert wurden. Das Ende war nicht mehr fern, die Terroristen befanden sich schon auf dem Abhang. Gleich würden sie direkt über ihm sein.
Es vergingen zehn, fünfzehn Minuten. Worauf warteten sie denn noch? Er trank den Rest des Wassers aus. Es war zu wenig, als dass es seinen Durst auch nur ansatzweise hätte stillen können.
Als Lauri seine Stellung veränderte, stieg von dem trockenen Boden feiner Staub auf. Himmel hilf, schoss es ihm durch den Kopf. Die Erkenntnis traf sein Bewusstsein wie ein elektrischer Schlag. Hier würde immer wieder und wieder radioaktiver Staub aufsteigen!
In den nördlichen und gemäßigten Gebieten würde der erste Regen die heißen Teilchen aus der Luft waschen, und dann würden sie nur noch in Ausnahmefällen erneut in die Luft aufsteigen. Die tödlichen Teilchen würden im Meer versinken, in die Flüsse gespült werden oder rasch unter Humus, Streu und Vegetation begraben werden.
Aber in den Trockengebieten der Erde regnete es nur selten, und der Boden war schutzlos, ohne Pflanzendecke. Die radioaktiven Teilchen würden immer mal wieder zu Boden sinken, aber mit dem nächsten Windstoß würden sie einfach wieder in die Luft aufsteigen. Die Menschen könnten sie auch noch in Tausenden von Jahren einatmen, und gerade die in die Lungen gelangten winzigen Partikeln waren die allergefährlichsten. Denn sie setzten sich in den Organen der Menschen oft für Jahrzehnte fest.
Al-Qaida hat sicherlich berechnet, dass wegen der Strömungen in der Atmosphäre mindestens neunzig Prozent des radioaktiven Niederschlags eines brennenden Kernkraftwerks in den nördlichen und gemäßigten Gebieten verbleibt, dachte Lauri fieberhaft. Wahrscheinlich denken sie, dass weniger als zehn Prozent in den Süden gelangen, nach Mekka und Medina und in andere von Muslimen bewohnte Länder. Was aber, wenn die tödliche Wirkung dieser zehn Prozent hundert-, ja tausendmal größer ist als die der nach Norden treibenden Radioaktivität, weil in den trockenen Gebieten der Fallout als in der Luft schwebender Staub für – aus menschlicher Sicht – nahezu ewige Zeiten erhalten bleibt?
Verdammt, wir hätten der al-Qaida diesen Aspekt über al-Jazeera und andere Kanäle übermitteln sollen, dachte Lauri. Bevor sie etwas wirklich Dummes tun, ohne zu verstehen, welche Folgen ihre Taten für die islamische Welt haben. Warum haben wir nicht daran gedacht? Warum bin ich erst jetzt darauf gekommen?, fragte er sich wütend. Er war plötzlich tief von sich selbst enttäuscht.
Denn jetzt war es zu spät. Die Erkenntnis, die für sie alle die Rettung hätte sein können, würde mit seinem Tod hier in der Westlichen Wüste verloren gehen.
Lauri erwartete die tödlichen Schüsse, die bald von der hinter ihm
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