Gottes kleiner Finger - [Thriller]
anderen Ende frische, weiche Kotkugeln wie aus dem Maschinengewehr abfeuern. Ein Kamel konnte gleichzeitig nach hinten und nach vorne sehen, und sein Tritt war mehr als stark genug, um das Herz eines erwachsenen Mannes zum Stillstand zu bringen oder sein Knie zu zerschmettern. Ein Kamel konnte brüllen wie ein Löwe, und ein ausgewachsenes männliches Tier hatte mindestens ebenso große und starke Zähne wie ein Tigerhai. Ein großes männliches Kamel war imstande, einem Menschen den Arm abzubeißen. Was immer wieder einmal vorkam.
Aber das Kamel war auch das mit Abstand schnellste, stärkste und zuverlässigste Tier, wenn es darum ging, schwere Lasten über weite Strecken und durch die Wüste zu transportieren. Lauri hatte glücklicherweise viel Erfahrung mit Kamelen.
»Ich komme schon klar«, versetzte er.
Der Mann nickte billigend, als Lauri routiniert auf den Kamelrücken stieg.
Die Sandsteinhöhen blieben hinter ihnen zurück. Die Klauen knirschten auf dem Kies. Dann war da vor ihnen etwas Helleres, Durchscheinenderes, und die Beine der Kamele versanken mit leisem Zischen im weichen Sand. Noch eine Minute, und sie befanden sich hinter der nächsten Sanddüne und ritten in einem Bogen um den Kamm der folgenden, viele Dutzend Meter hohen Düne herum. Dann blieb auch die hinter ihnen zurück.
Eine halbe Stunde später saßen sie für einen Augenblick von ihren Tieren ab, um etwas zu trinken.
Da stellte Lauri überrascht fest, dass einer seiner Helfer dieselbe schwarz gekleidete junge Frau war, die in einem Winkel von Scheich Azhrawis Zelt dem Gespräch aufmerksam zugehört hatte.
»Vielen Dank«, sagte Lauri. »Ihr habt mir das Leben gerettet.«
»Wir haben die Schüsse bis zu den Zelten gehört«, sagte die Frau. »Aber hier können wir nicht bleiben. Sie haben Verstärkung bekommen. Sie wollen uns verfolgen.«
Lauri wirkte ungläubig.
»Truppenverstärkung? Bist du sicher?«
Die Frau nickte.
»Wir haben sie gesehen. Dutzende von Lastwagen.«
»Aber ... Wie ist das möglich? Wer sind sie? Warum tun Polizei und Armee nichts?«
»Darüber können wir uns später wundern. Jetzt haben wir keine Zeit.«
Das Verhalten der Frau wirkte immer noch äußerst ungewöhnlich. Offensichtlich nahmen die Männer von ihr Befehle entgegen und gehorchten ihren Kommandos, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern. Auch sonst verhielt die Frau sich selbstsicher, sogar aggressiv, als wäre sie die Königin von Ägypten oder zumindest die Prinzessin.
»Ihr müsst fliehen«, sagte Lauri. »Ich werde sie in die Irre führen.«
Die Frau lächelte.
»Allein würdest du hier nicht einmal bis morgen Abend überleben. Wir trennen uns, aber ich begleite dich. Die anderen gehen in eine andere Richtung.«
»Wohin gehen wir?«
Die Frau deutete mit der Hand auf das Sandmeer.
»Wir müssen durch das Erg fliehen. Das Kamel ist im Sand schneller als ein Auto. Wir fliehen ins Sandmeer bis zur Oase Wahat el-Dakhla.«
Oha, dachte Lauri. Jetzt haben wir den Kladderadatsch.
7
»Wie zum Teufel konntet ihr nur solchen Mist bauen?«, schnauzte Richard Brunel.
Fouad Badou wandte sich ihm zu. Brunel schwieg, denn Badous Augen waren wie graues Eis.
»Ich an deiner Stelle würde das Maul nicht so aufreißen«, zischte Badou. »Sonst kündige ich unseren Vertrag und schneide dir die Kehle durch. Wir haben schon jetzt größere Verluste erlitten als im Kampf bei Tora Bora. Darüber bin ich nicht besonders erfreut.«
Die Sonne war schon vor einigen Stunden untergegangen. Zu beiden Seiten der Landstraße standen viele Lastwagen, insgesamt vielleicht etwa sechzig. Hier und da waren Männer mit Maschinenpistolen und Kalaschnikow-Sturmgewehren zu sehen. Einige schienen Europäer oder Nordamerikaner zu sein, andere waren eindeutig Ägypter. Manche wirkten dunkler als die durchschnittlichen Ägypter, obwohl sie Arabisch sprachen. Brunel wusste, dass die meisten Männer privaten Sicherheitsorganisationen von supranationalen Unternehmen angehörten, die ihren Sitz in Ägypten hatten.
Brunel warf seine Zigarette zu Boden und trat sie aus. Wieder betrachtete er den nächtlichen Horizont. Bis zum Morgengrauen würden noch mindestens zwei Stunden vergehen.
»Wir hatten Pech«, erklärte Fouad Badou. »Von unseren Kameraden, die auf dem ersten Lkw saßen, haben nur sieben überlebt.«
Er schwieg einen Moment und starrte finster in das dunkle Tal.
»Und dann haben wir natürlich einen Fehler gemacht, als wir uns um die Verletzten kümmerten und den
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