Gottes kleiner Finger - [Thriller]
aufsteigenden Anhöhe kommen würden. Er hätte sich gewünscht, noch einmal mit Katharine sprechen zu können, aber das war jetzt nicht möglich. Schrader und Janet Kendall mussten nun allein zurechtkommen. Hoffentlich würden sie den Sonnenturm verteidigen können. Lauri glaubte nicht recht, dass sie es schaffen würden. Janet war für diese Aufgabe zu unerfahren. Eigentlich gab es keinen Grund anzunehmen, dass sie es schaffen würden.
Ich hoffe wirklich, dass der Traum mit Alice nur ein Produkt meines Unterbewusstseins war und nichts sonst, dachte Lauri. Andererseits, was hätte es sonst sein können?
Etwas blitzte oben am Hang auf. Lauri richtete sein Zielfernrohrgewehr dorthin. Seine Chancen, auch nur einen einzigen Terroristen zu treffen, waren gleich null, denn sie befanden sich in einer viel besseren Position. Aber vielleicht sollte er es trotzdem versuchen.
Da geschah etwas vollkommen Unerwartetes.
Zwei Schüsse krachten, aber die Kugeln trafen ihn nicht und schlugen nicht einmal in seiner Nähe ein. Stattdessen rollten zwei weiß gekleidete Gestalten den Abhang hinunter. Staub wirbelte unter ihnen auf. Dann wieder zwei Schüsse, und Lauri sah einen dritten Mann, der zwischen die Steinblöcke fiel.
Noch zwei, drei, vier Schüsse. Dann nichts mehr. Was war das gewesen? War ihm jemand zu Hilfe gekommen? Wer? Anscheinend handelte es sich nur um eine einzige Person, denn die Schüsse waren alle aus derselben Waffe gekommen. Wieder hatte sich die Lage verändert, plötzlich und unerwartet.
6
Die Sonne versank allmählich hinter dem Horizont. Endlich, dachte Lauri. Er spürte etwas Feuchtes am Arm und bemerkte, dass die Wunde wieder angefangen hatte zu bluten. Er wickelte die restliche Mullbinde um den alten Verband herum. Vielleicht würde das genügen. Es war kein vollkommener, steriler Wundverband, aber damit musste er nun auskommen.
Lauri bereute, dass er auch die letzten Tropfen aus seiner Feldflasche getrunken hatte, denn der Durst war schier unerträglich geworden. Es war schon dämmrig, aber Lauri wusste, dass er noch etwas warten musste, bevor er losgehen und Wasser aus dem Auto holen konnte.
Die Dämmerung verdichtete sich langsam zur Dunkelheit. Jetzt müsste ich mich auf den Weg machen, dachte Lauri, er wagte es nicht, noch länger zu warten. Auch die Männer beiderseits von ihm würden sich wahrscheinlich im Schutz der Dunkelheit in Bewegung setzen. Bald würden sie ihm gefährlich nahe kommen.
Lauri erhob sich aus seinem Versteck und bewegte sich in geduckter Haltung auf den Lkw zu. Er war kaum zwanzig Schritt weit gekommen, als er ein zischelndes Flüstern hörte.
»Hierher«, sagte eine Männerstimme ganz dicht hinter ihm.
»Im Lkw ist Wasser«, flüsterte Lauri zur Antwort.
»Lass es dort!«
Lauri drehte sich um und sah einen Mann in schwarzem Umhang, der ihm ohne ein weiteres Wort bedeutete zu folgen. In der Dunkelheit konnte Lauri seine Bewegung gerade eben noch erkennen. Der Mann strebte halb im Laufschritt einer kleinen Schlucht zu, die sich zwischen den Sandsteinfelsen öffnete. Der Grund der Schlucht führte bald steil aufwärts. Bald darauf befanden sie sich etliche Dutzend Meter oberhalb der Talsohle und dann auf der anderen Seite der Felsen. Dort hoben sich die Silhouetten von zwei Personen und fünf Kamelen schwarz gegen den etwas helleren Himmel ab.
»Kommt schnell«, sagte die eine Gestalt.
Es war die Stimme einer Frau. Ihre Sprache war stark dialektal gefärbtes Englisch mit französischem Akzent.
»Kannst du auf einem Kamel reiten?«, fragte der Mann, der Lauri geführt hatte.
In seiner Stimme lag mehr als eine leichte Besorgnis, und für Lauri war es nicht schwierig zu verstehen, woher sie rührte. Kamele waren keine Pferde. Den Europäern war es seinerzeit sehr schwergefallen, mit ihnen umzugehen oder sie mit den Augen der Araber zu betrachten. Die Europäer hatten in den Kamelen nur eine groteske, unförmige Abart der Pferde gesehen. Aber die Araber und die anderen Saharabewohner liebten und respektierten die Kamele. Alle Bezeichnungen der Europäer für das Kamel gingen auf das arabische Wort Jamaal zurück, das schön bedeutet. In den Augen der Wüstenbewohner waren die Kamele großartige Tiere, obwohl sie ihre Launen und Macken hatten.
Wenn ein Kamel aus dem einen oder anderen Grund unzufrieden war, konnte es seine sämtlichen aufeinanderfolgenden Mägen gleichzeitig auf sein unglückliches Ziel entleeren. Alternativ konnte es seinen Schwanz heben und aus dem
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