Gottes kleiner Finger - [Thriller]
Überlebenschancen, ging es Lauri durch den Sinn. Aber dann kam noch etwas anderes in Sicht. Mein Gott, dachte Lauri, ich muss Visionen haben.
»Der Shahali«, sagte Khadidja ruhig.
13
Katharine Henshaw betrat den Kontrollraum des Sonnenturms. Dort hielten sich drei Personen auf: Sarah Birkin, Razia al-Qasreen und Reino Keskitalo.
»Hat immer noch niemand etwas von ihnen gehört?«, fragte Katharine.
Aus ihrer Stimme klang tiefe Besorgnis.
Sarah schüttelte den Kopf.
»Nein. Das ist verdammt merkwürdig. Wir bekommen keine Verbindung zu ihnen, und sie haben uns keine Nachricht gesandt.«
Katharine zitterte vor Angst. Wenn nun ... Sie wies den Gedanken von sich. Sie wollte ihn nicht denken. Zumindest noch nicht. Nicht, bevor ihr nichts anderes übrig blieb.
»Kann ihr Ausbleiben mit dem Terroranschlag im südlichen Ägypten zusammenhängen?«, fragte Katharine.
Sarah nickte, etwas widerstrebend.
»Möglicherweise«, musste sie einräumen. »Der Anschlag fand in derselben Gegend statt. An der Route, die sie nach dem Besuch bei Azhrawi nehmen wollten. Vielleicht war der Weg unpassierbar, sodass sie einen Umweg machen mussten. Vielleicht ist ihr Auto in der Wüste kaputtgegangen, und sie konnten es nicht reparieren. Oder so etwas. Jedenfalls sind sie bei dem Anschlag nicht ums Leben gekommen, denn laut Azhrawi ist Lauri mit seiner Adoptivtochter in der Wüste unterwegs.«
Trotzdem, das Ganze ist wirklich sonderbar, dachte Katharine. Warum hat Lauri sich nicht bei uns gemeldet? Warum hat er nicht einmal eine SMS geschickt?
»Wie ist jetzt die Lage dort in der Gegend?«, fragte Katharine.
Sarah dehnte ihre Arme, und ihre durchtrainierten Muskeln an Schultern und Armen traten hervor.
»Anscheinend wirklich verworren«, antwortete Sarah. »Ein großer Teil der Sicherheitsleute aus den ausländischen Firmen sind zusammengezogen worden, um die Terroristen zu jagen, sowohl in Libyen als auch in Ägypten. Mehrere Tausend in jedem der beiden Länder. Es handelt sich um eine außergewöhnlich groß angelegte Verfolgungsjagd. Als hätte Osama bin Laden selbst an dem Anschlag teilgenommen!«
»Sind die Terroristen nach Libyen geflohen?«
»Wahrscheinlich ja. Aber im Moment wissen wir mit Sicherheit nur so viel, dass Lauri nicht unter den identifizierten Toten ist.«
»Und Abu Hassan?«, fragte Katharine.
»Das wissen wir noch nicht genau«, antwortete Sarah. »Aber ich denke, wir müssen uns noch keine Sorgen machen. Sei ganz ruhig, er wird zurückkommen.«
Ich weiß nicht, ob ich noch derselben Meinung bin, dachte Katharine. Sie spürte einen kalten Druck in der Brust, als hätte ein Eisklumpen ihr Herz gefrieren lassen. Aber sie bemühte sich, an etwas anderes zu denken.
Sarah schaute auf ihre Uhr.
»Ich muss jetzt leider gehen«, sagte sie. »Ich habe versprochen, in einer Viertelstunde eine Sache zu erledigen.«
Reino Keskitalo hatte ihrer Unterhaltung keine Beachtung geschenkt. Er prüfte am Bildschirm ein Computerprogramm, das offenbar mit dem Prognostizieren künftiger Regenmengen in der Sahara und im Sahel zu tun hatte. Er war hoch konzentriert und tief in Gedanken versunken. Vor ihm auf dem Tisch standen drei leere Flaschen von Tonic Water und ein leeres Trinkglas.
»Würde es helfen, wenn wir wüssten, gegen wen wir eigentlich kämpfen?«, brach es aus Katharine hervor.
Keskitalo sah sie vergnügt an und grinste. Er hatte bestimmt einen leichten Schwips.
»Na, das ist doch ganz einfach«, bemerkte Keskitalo munter. »Uns gegenüber steht die sogenannte Achse des Bösen. Axis of Evil. Das absolute Böse also. Der große Satan. In diesem Fall also sicherlich ein beklagenswertes Sammelsurium von jämmerlichen Möchtegernterroristen, denen irgendein Geldsack hundert Dollar pro Nase zahlt, damit er unsere Baustelle sabotiert.«
»Puh«, schnaufte Katharine. »Also die Achse des Bösen!«
Keskitalo ging zum Kühlschrank, um sich eine neue Flasche Gin Tonic zu holen. Razia schüttelte den Kopf. Auf ihrem Gesicht zeichneten sich Ärger, Gereiztheit, Mitleid und leichte Verzweiflung ab. Katharine sah, dass sie über etwas Wichtiges nachdachte.
»Und wenn nun das größte Übel die Gewissheit ist, dass man total im Recht ist?«, stieß Razia hervor. »Der Widerwille zu verstehen, dass die Menschen dieselbe Sache aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten können.«
Aha, dachte Katharine voller Überdruss. Ja, natürlich. Das ist es also wieder.
»Was meinst du damit?«, fragte sie.
Razia schwieg
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