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Gottes kleiner Finger - [Thriller]

Gottes kleiner Finger - [Thriller]

Titel: Gottes kleiner Finger - [Thriller] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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bleiben würde, bevor Keskitalo sie wieder hervorholte.
    »Im Dorf gab es ein Gesundheitszentrum und eine Apotheke, und in der Apotheke hätte es Morphium gegeben«, erzählte Keskitalo. »Aber im Gesundheitszentrum war niemand, der ein Rezept für Razias Mutter hätte ausstellen können.«
    Keskitalo tat einen tiefen Zug aus seinem Glas.
    »Die Mutter starb, bevor die Straße wieder freigegeben wurde.«
    Ein neuer Schluck.
    »Das war kein leichter Abgang.«
    So etwas hätte ich Razia nicht gewünscht, dachte Katharine. Und auch nicht ihrer Mutter.
    »Wie hat Razias Vater das aufgenommen?«, fragte Katharine.
    Keskitalo lachte hohl.
    »Bestimmt nicht sehr leicht, denn er starb einen Monat später.«
    Keskitalo leerte sein Glas.
    »Sie haben es nicht mehr erlebt, wie aus ihrer Tochter DIE FRAU wurde, die DAS HÖCHSTE GEBÄUDE DER WELT errichtete«, sagte Keskitalo. »Aber das ist natürlich nur ein kleiner Teil ihrer Qual.«

14
    »Shahali«, sagte Khadidja. »Shai-Halad. Mutter der Stürme.«
    Der sich nähernde Sandsturm war wie eine fünfzig Meter hohe, rotbraune Wand. Sie erstreckte sich in zwei Richtungen endlos weit, bis zum Horizont. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit wälzte sie sich direkt auf sie zu. Dabei verschluckte und bedeckte sie alles, was ihr entgegenkam, wie ein unermessliches und unersättliches, hungriges Monster, das jede Sekunde viele Quadratmeilen Land und Dünen verschlang.
    Der Sandsturm prallte gegen die Kolonne, und plötzlich wirkten all diese leistungsstarken Fahrzeuge vor der schrecklichen Sandwand so klein wie Hasen oder Ratten. Und dann, eine Sekunde später, waren sie verschwunden.
    Die rotbraune, wild wirbelnde Wand aus fliegendem Sand näherte sich Lauri und Khadidja. Je näher sie kam, umso größer, höher und schrecklicher wurde sie, und umso schneller kam sie auf sie zu gerollt.
    »Bleib ganz dicht hinter mir«, schrie Khadidja. »Wenn du von mir getrennt wirst, musst du sterben.«
    Lauri nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Khadidja überließ jedoch nichts dem Zufall, sondern band an den Sattel von Lauris Kamel einen Strick, den sie selbst festhielt. Auch Lauri stieg ab. Das Geräusch des Sandsturms war kein Sausen mehr, sondern ein dumpfes Brüllen.
    Ein letztes Mal blickte Lauri auf die sich nähernde Wand, sie war jetzt wie ein fliegender Berg, der nach ihnen griff. Dann erreichte der Shahali sie und verschluckte sie. Der blaue Himmel und die Sonne wurden unsichtbar. Es wurde fast dunkel und erstickend heiß. Es gab auf der Welt nichts anderes mehr als fliegenden gelben und roten Sand. Er verursachte ein Geräusch wie pausenlos anhaltenden Gewitterdonner.
    Lauri sah Khadidja und ihr Kamel nur als vage Umrisse, obwohl Khadidja sich nur einige Meter von ihm entfernt befand. Der große Körper des Kamels bot ein klein wenig Schutz vor dem peitschenden Sand.
    Der feinste Staub drang ungehindert unter die Kleider, er brannte in den Augen, kitzelte in der Nase und knirschte zwischen den Zähnen. Lauri spürte, wie seine Kopfhaut und die Haare sich mit einer immer dickeren Sandschicht bedeckten und wie der Sand ihm Rücken, Arme, Achselhöhlen und Beine hinunterrann. Er schluckte Sand und hustete aus der Luftröhre feinen Staub heraus.
    Die Luft war jetzt brennend heiß, noch deutlich heißer als vorhin. Lauri hatte gedacht, die Temperatur würde sinken, wenn der Wind anfing zu blasen. Aber im Gegenteil, sie stieg, der Harmattan-Wind war wie ein gewaltiger, auf sechzig oder siebzig Grad eingestellter Heizlüfter, oder richtiger, wie eine Trillion Heizlüfter, die heiße Luft in dieselbe Richtung bliesen. Gleichzeitig wurde die Luft immer trockener, Lauri hatte das Gefühl, als saugte sie von der Haut seines Gesichts und seiner Hände auch noch die letzten Reste von Feuchtigkeit. Die Luft war schon so heiß, dass er meinte zu ersticken, wenn er sie einatmete, und die Zunge klebte ihm am knochentrockenen Gaumen. Gleich würden sie etwas trinken müssen!
    Die Wüste war wie eine auf starke Hitze eingestellte elektrische Sauna, nur war diese Sauna auch mit starken Sandstrahlgebläsen ausgerüstet. Verflixt, diese Idee müsste man einmal den heftigsten Saunafans vorschlagen, dachte Lauri. Denen, die fanden, die Sauna sei erst dann eine richtige Sauna, wenn sie einem die Augen im Kopf vertrocknen und die Haut verkohlen ließ.
    Die Elektrizität kitzelte auf der Haut. Lauri bemerkte, dass jedes Härchen an seinen Handgelenken sich sträubte. Er meinte, durch das Donnern des

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