Gottes kleiner Finger - [Thriller]
über die Oberfläche des Sandmeers, und es wurden immer mehr und mehr. Auch die Umrisse des Sandfelds verwischten sich zwischen den Wirbeln. Einen Augenblick später war die ganze Oberfläche der Wüste in Bewegung, und feiner Sand und Staub sprühten jetzt in größerer Höhe wie eine alles bedeckende Hülle. Der waagerecht fliegende Sand zischte und sauste, zuerst gedämpft, dann immer stärker.
Der Wind ließ jetzt kleine Steine über die Oberfläche der Wüste kullern. Als der Luftstrom stärker wurde, stiegen die kleinen Steine höher auf, sie prasselten erst gegen die Beine und etwas später gegen Schenkel, Taille und Rücken. Zugleich trommelten und prasselten sie gegen die Oberfläche von Felsen und Steinen.
Es war, als wäre das ganze Sandmeer in Bewegung geraten. Die großen, Dutzende oder hundert Meter hohen Dünen begannen zu rauchen und zu wandern. Überall dort, wo ein Stein oder Brocken sich dem Wind in den Weg stellte und ihn versperrte, sammelte sich im Nu eine Schicht Sand, und kurz darauf gab es dort schon eine neue kleine Sanddüne, die schnell an Höhe und Breite zunahm. Die Klarheit des Himmels war zu einem blasseren, graublauen Dunst geworden.
Bisher hatte Khadidja die höchsten Erhebungen der Dünen umgangen, aber jetzt kletterte sie höher hinauf und vergewisserte sich ab und zu, dass Lauri in ihrer Nähe blieb. Je höher hinauf sie kamen, desto heftiger zerrte der Wind an ihren Kleidern. Als Lauri in die Windrichtung schaute, schlug ihm der Flugsand ins Gesicht und blendete ihn. Es dauerte lange, bis er den Sand aus den Augen gewischt bekam und wieder ordentlich sehen konnte. Seine Augen schmerzten und brannten. Sie tränten, und er hatte das Gefühl, dass sein Mund halb voll Sand war. Er hustete und spuckte, aber er hatte nicht mehr genug Spucke und wurde den Sand nicht los, obwohl er ihn sich mit den Fingern aus dem Mund holte.
Khadidja stieg immer höher hinauf zum Scheitel einer unermesslich großen und schwindelerregend hohen Düne, trotz des teuflisch heulenden Windes. Oben angelangt, befanden sie sich für einen Moment oberhalb des über die Wüste dahinjagenden Sandgestöbers. Die Sicht wurde vorübergehend besser, aber beim Abstieg gerieten sie wieder in den Sandsturm.
Dieser Albtraum dauerte viele Stunden, bis sie schließlich von der Sandwüste auf eine Hammada gelangten und die Menge des durch die Luft sausenden Sandes abnahm.
Im Mondlicht sah Khadidja eine Höhle, die groß genug wirkte, um ihnen und ihren Kamelen Platz zu bieten. Als Lauri von seinem Kamel stieg, schwankte er heftig und versuchte, sich am Sattel festzuklammern, fiel jedoch der Länge nach auf den Sand. Seine Kräfte reichten nicht mehr aus, sich wieder hochzuarbeiten. Die Glieder gehorchten ihm einfach nicht.
Ich bin am Ende, dachte er.
Khadidja führte beide Kamele in die Höhle und kehrte dann zu Lauri zurück. Sie legte sich Lauris gesunden Arm um den Hals und zerrte ihn in die Senkrechte. Khadidja ist überraschend stark, dachte Lauri.
»Sehen wir uns jetzt mal die Pfote an«, sagte Khadidja.
»Das hat keinen Sinn, das bringt doch nichts«, wehrte Lauri ab.
Khadidja beachtete seinen Widerstand nicht, sondern rollte die Binde auf. Sie rümpfte die Nase, als der Gestank von faulem Fleisch ihr entgegenschlug. Lauris Arm war geschwollen wie ein Luftballon, und er war böse gerötet.
»Du hättest mir das sagen sollen«, tadelte Khadidja. »Noch eine Weile, und dein Arm wäre ganz schwarz gewesen. Da kann auch jetzt schon Nekrose drin sein.«
»Glaubst du?«, stammelte Lauri.
»Ich muss die Wunde öffnen«, sagte Khadidja. »Das wird jetzt ein bisschen wehtun.«
»Das macht nichts. Es ... tut sowieso weh.«
Khadidja holte ihr Messer heraus und ergriff den verletzten Arm.
»Müsstest du nicht ein bisschen ... sterilisieren ...«
»Wie denn? Außerdem glaube ich nicht, dass an meinem Messer schlimmere Bakterien sind als die, die schon jetzt in der Wunde sind!«
Ohne Vorwarnung vollzog Khadidja einen raschen Schnitt in Lauris Arm. Das Geschwür brach sofort auf, und mit hohem Druck spritzte gelber Eiter heraus. Auch Khadidja bekam etwas davon ab.
»Verzeihung«, sagte Lauri.
Khadidja verband die Wunde nicht, sondern ließ sie offen. Sie ließ Blut, Eiter und Gewebeflüssigkeit in aller Ruhe abfließen. Dann nahm sie die Feldflasche und spülte die Wunde aus, so gut es ging, ohne sich um Lauris leidende Miene zu kümmern.
»Das ... tut etwas weh«, stellte Lauri fest.
Khadidja kommentierte
Weitere Kostenlose Bücher