Gottes kleiner Finger - [Thriller]
gebracht hatte, traf ihre Hand auf etwas Weiches, Nasses und Klebriges. Angst überkam sie, denn sie verstand sofort, was sie gefunden hatte. Als sie nach der Halsschlagader tastete, stellte sie fest, dass sie eine Leiche berührte, denn die Haut war schon deutlich abgekühlt. Sie wagte nicht nachzusehen, wer da am Boden lag.
Katharine schaute aus dem Fenster in die Richtung, aus der das motorisierte Bataillon anrückte. Wie nahe waren die Hilfstruppen schon? Hinter dem Hügel schimmerte weiterhin Licht, aber wieder war etwas nicht so, wie es hätte sein sollen.
Es war, als wären die Lichter des motorisierten Bataillons schwächer und nicht stärker geworden.
Und der Turm?, dachte Katharine. Dort war doch wohl jemand? Sollte sie es wagen, den Turm zu rufen? Und wenn die ungebetenen Gäste sich noch immer dort befanden?
Katharine war still und horchte. Sie hörte weder Schritte, Rascheln noch Atmen. Das bewies jedoch noch nichts. Andererseits wäre es für jemanden, der noch da war, ein Leichtes gewesen, sie anzugreifen, als sie den Raum betrat.
Katharine beschloss, das Risiko einzugehen. Sie ging zum Haupttisch des Kontrollraums und nahm das Mikrofon des internen Telefonnetzes in die Hand. Sie rief den Turm, bekam jedoch keine Antwort. War die Verbindung unterbrochen, oder war im Turm niemand? Als Nächstes versuchte Katharine, die Desert Queen zu rufen und dann Ulrich Ludlow und Jacques Desvernois. Niemand antwortete.
Wieder trat sie ans Fenster und sah jetzt deutlich, wie auf einem Tablett, die Lichter der Lastwagen des Bataillons, das die Baustelle bewacht hatte. Sie entfernten sich. Die Autos fuhren weg, ihre Lichter zeigten in Richtung Kairo. Was hat das zu bedeuten?, fragte sich Katharine.
Dann hörte sie vom Gang her Lärm. Es war ein Fehler, keine Waffe mitzunehmen, dachte sie. Aber einen Augenblick später sah sie, dass die Ankömmlinge Razia al-Qasreen und Janet Kendall waren. Katharine sah, dass Janet eine Maschinenpistole in der Hand hielt.
»Die Baracken sind leer«, sagte Katharine. »Nirgends eine Menschenseele. Alle sind fort. Und niemand antwortet auf meinen Ruf.«
Janet nickte. Nervös biss sie sich auf die Lippe.
»So etwas habe ich schon befürchtet. Sie haben unser gesamtes internes Netz lahmgelegt.«
»Hast du versucht, den Energieminister anzurufen?«
Janet schüttelte den Kopf.
»Die Leitung ist tot.«
»Hast du es mit dem Handy versucht?«
»Auch das funktioniert nicht.«
»Wie ... Das kann doch nicht möglich sein«, wunderte sich Katharine.
»Offenbar ja doch«, sagte Janet. »Jemand hat unsere Telefonverbindungen gekappt und unsere Linkstation lahmgelegt. Einer unserer eigenen Mitarbeiter. Sarah und Ulrich sind gegangen, um nachzusehen, ob man die Linkstation reparieren kann, aber ich fürchte, das wird nicht gelingen. Die Desert Queen ist an ihrem Platz, aber im Tank des Hubschraubers ist verdammt viel Zucker, und das Halteseil der Kleinen Prinzessin ist durchtrennt. Sie haben sie einfach aufsteigen lassen!«
Das alles gefällt mir gar nicht, dachte Katharine.
»Wir sind isoliert«, sagte sie laut.
16
»Es ist Zeit, haltzumachen«, bemerkte Khadidja.
Lauri war völlig erschöpft. Als er von seinem Kamel abstieg, schwankte er und wäre beinahe gestürzt. Er sackte auf dem Sand zusammen, und obwohl er heftigen Durst hatte, musste er einen Augenblick verschnaufen, bevor er das Wasser aus der Satteltasche nehmen konnte. Das war eine einfache Operation, aber sie erschien ihm plötzlich ungeheuer anspruchsvoll.
Der Wind hatte sich gelegt, und in der Wildnis war es wieder ganz still. Es war auch kühler, und Lauri erschauerte. Lag das an der gesunkenen Temperatur oder an der Müdigkeit oder ...? Lauri wollte den Gedanken nicht zu Ende denken. Es würde nichts bringen, denn sie hatten kein Antibiotikum.
Sie saßen in der dunklen Nacht und horchten aufmerksam, ob aus dem Sandmeer Motorengeräusche herüberklangen. Aber sie hörten nichts, und sie sahen weder Scheinwerferlicht noch Leuchtraketen.
»Nichts«, sagte Lauri. »Haben wir sie abgeschüttelt?«
Khadidja zuckte die Achseln.
»Schwer zu sagen. Die Kolonnen, die uns bis zur Sandwüste verfolgten, haben große Schwierigkeiten. Sie kriegen ihre Fahrzeuge nicht gleich wieder flott. Im Sand der Sahara sind auch früher schon ganze Armeen untergegangen.«
Lauri erinnerte sich, irgendwo die Geschichte von Großkönig Kambyses gelesen zu haben. Der hatte aus Persien eine Armee von vierzigtausend Mann in die Westliche
Weitere Kostenlose Bücher