Gottes Werk und Teufels Beitrag
Larch. »Und das werde ich auch nie. Es ist allein deine Entscheidung.«
»Richtig«, sagte Homer Wells.
Eine Tür ging auf, aber was Curly Day kreischte, wurde nicht klarer. Dr. Larch und Homer Wells hörten die Reagenzgläser im Regal neben der Apothekentür klirren; durch dieses Geläut, und zum erstenmal auch durch den Wind, drang das Wort »Tot!« zu ihnen durch.
»Tot! Tot! Tot!« kreischte Curly Day, während der kleine Copperfield unverständliche einsilbige Geräusche von sich gab.
»Wer ist tot, mein Schatz?« fragte Schwester Angela Curly zärtlich.
Curly Day hatte entdeckt, daß der Bahnhofsvorsteher tot war; Curly wußte nicht, daß es der Bahnhofsvorsteher war – Curly hatte nicht lange genug hingesehen.
»Ein Kerl ist tot!« sagte Curly zu Schwester Angela und Schwester Edna.
Wilbur Larch, der dies deutlich vernahm, stand von seinem Schreibtisch auf und trat, an Homer Wells vorbei, auf den Flur hinaus.
»Und nachdem beides einerlei ist für Sie«, sagte Homer Wells zu ihm, »möchte ich um die Erlaubnis bitten, nicht dabeizusein, wenn Sie tun, was Sie tun müssen. Ich möchte mich auf jede andere Art nützlich machen, und ich mißbillige Sie nicht«, sagte Homer. »Wenn es Ihnen recht ist, möchte ich nicht zuschauen müssen.«
»Ich muß darüber nachdenken, Homer«, sagte Dr. Larch. »Laß uns sehen, wer tot ist, ja?« Während Homer Larch über den Flur folgte, bemerkte er, daß die Tür zum Entbindungssaal geschlossen war und daß die Türlampe brannte – was bedeutete, daß Schwester Edna oder Schwester Angela die beiden Frauen vorbereitet hatten, die auf ihre Abtreibungen warteten. Die Frau aus Damariscotta, deren Wehen immer noch langsam und regelmäßig kamen, würde den Entbindungssaal wahrscheinlich erst brauchen, wenn Larch mit den zwei Abtreibungen längst fertig war. Homer stimmte mit Dr. Larch überein, daß es grausam war, die Frauen länger als unbedingt nötig auf die Abtreibungen warten zu lassen, zumal sie schon vorbereitet worden waren, und darum öffnete Homer die Tür zum Entbindungssaal und steckte den Kopf hinein, ohne eine der Frauen wirklich anzusehen. Er verkündete: »Der Doktor kommt gleich, machen Sie sich bitte keine Sorgen.«
Homer bereute seine Wahl des Zeitpunkts; bevor er die Tür zum Entbindungssaal schließen konnte, fing Curly Day mit seinem »Tot!«-Gesang wieder von vorn an.
Curly Day besaß jene Art von Rastlosigkeit, die ihn immer zu ungewollten Entdeckungen führen würde. Er war es leid gewesen, David Copperfield in dem Klistierbeutelkarton hinter sich herzuziehen, und darum hatte er sich ausgedacht, Klein Copperfield (in dem Karton) von der Laderampe am Lieferanteneingang der Knabenabteilung zu katapultieren. Es war mühsam gewesen, den Karton und Copperfield auf die Rampe hinaufzuschaffen; aber wenn er erst einmal dort oben über der wenig benutzten Zufahrt und dem hohen Unkraut angelangt war, könnte man Copperfield, so stellte Curly sich vor, beinah das Fliegen lehren. Es ging nicht weit hinunter; in dem Karton würde es kaum ein Sturz sein. Und auf dem unkrautbewachsenen Hügel, der sich von der Laderampe absenkte, würde der Klistierbeutelkarton wahrscheinlich gleiten. Allerdings sah Curly die mögliche Beschädigung des Kartons voraus – dessen Zerstörung würde ihn in David Copperfields Gesellschaft zurücklassen, allein, und die Aussicht auf Copperfield ohne einen Karton oder ein anderes Spielzeug war mächtig langweilig. Aber Curly war der Verwendungsmöglichkeiten eines Copperfield mit (oder im) Karton bereits überdrüssig; die ungefährlichen Dinge, die man anstellen konnte, hatte er bereits alle ausprobiert, und Copperfield hatte nicht geklagt. Copperfield wußte nicht, daß er sich am Rande einer Laderampe befand; er konnte nicht über die Seiten des Kartons hinausblicken. Als Curly den Karton und Copperfield über die Kante stieß, paßte er auf, daß der Karton in aufrechter Stellung blieb, damit Copperfield nicht auf dem Kopf landete. Der Karton landete auf einer Ecke, die einknickte; und Klein Copperfield flog die mit hohem Unkraut bewachsene Böschung hinunter. Wie ein wackeliges Küken, das aus seiner Schale torkelt, kam er kurz auf die Beine, bevor er purzelte und immer weiter kugelte. Von der Rampe sah Curly Day, wie das Unkraut ihm winkte; das Unkraut zeigte ihm zwar, wo Copperfield steckte, war aber zu hoch, als daß Curly Copperfield auch tatsächlich sehen konnte.
Copperfield war unverletzt, aber er war etwas
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