Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
erklären«, sagte Wilbur Larch zu Wally (Homer anzusprechen schien hoffnungslos). »Ich möchte sie gerne aufklären über die Blutung, später – zum Beispiel«, fügte Larch hinzu, in der Absicht, mit dem Wort »Blutung« eine gewisse Wirkung auf Wallys apfelstrahlende Gesichtsfarbe zu zeitigen. Das tat es – und die äthergeschwängerte Luft in der Apotheke tat vermutlich ein übriges.
    »Wird man sie schneiden?« erkundigte er sich mit zitternder Stimme bei Homer; Homer packte Wally am Arm und zog ihn abrupt mit sich fort. Er zerrte ihn so rasch über den Flur und brachte ihn so schnell hinaus ins Freie, daß es Wally beinah ganz erspart blieb, sich zu übergeben. So aber, und einzig dank Homers guten Reflexen, erbrach sich Wally erst, als die beiden hinter der Knabenabteilung waren – genau an jener Hügelflanke, die Wally mit Apfelbäumen zu bepflanzen vorgeschlagen hatte, genau an jener Hügelflanke, wo Homer Wells’ Schatten erst kürzlich den Doktor Larchs überflügelt hatte.
    Die beiden jungen Männer schritten den Hügel auf und ab und kreuz und quer, in geraden Linien – die Baumreihen einhaltend, die Wally in seiner Einbildung pflanzte.
    Homer erklärte höflich den Eingriff, dem Candy sich unterziehen würde, aber Wally wollte über Apfelbäume sprechen.
    »Dieser Hügel eignet sich perfekt für das normale Vierzig-mal-vierzig-Feld«, sagte Wally, schritt vierzig Fuß in einer Richtung ab und machte dann eine perfekte 90-Grad-Kehre.
    »Falls sie noch in den ersten drei Monaten ist«, bemerkte Homer, »sollte eigentlich die Zange nicht nötig sein, nur die normale Dilatation – das heißt, die Erweiterung des Eingangs zum Uterus – und dann die Kürettage, das heißt Ausschabung.«
    »Ich würde vier Reihen Macintosh empfehlen, dann eine Reihe Roter Delicious«, sagte Wally. »Die Hälfte der Bäume sollten Macs sein. Den Rest würde ich mischen – vielleicht zehn Prozent Roter Delicious, weitere zehn bis fünfzehn Prozent Cortlands und Baldwins. Ein paar Northern Spies, wenn ihr wollt, und ich würde ein paar Gravensteiner dazwischensetzen – eignen sich vorzüglich für Apfelkuchen, und man kann sie früh pflücken.«
    »Es wird nicht wirklich geschnitten«, sagte Homer zu Wally, »auch wenn es etwas bluten wird – wir nennen es ein Spotting, und zwar, weil es in der Regel keine starke Blutung ist. Doktor Larch hat eine sagenhaft leichte Hand mit dem Äther, also mach dir keine Sorgen – sie wird nichts spüren. Natürlich wird sie hinterher etwas spüren«, gestand Homer. »Es ist eine besondere Art von Krampf. Die übrigen Beschwerden, sagt Doktor Larch, sind psychologischer Art.«
    »Du könntest mit uns nach Hause fahren, zur Küste«, sagte Wally zu Homer. »Wir könnten einen Lastwagen mit Babybäumchen beladen, und in ein paar Tagen könnten wir wieder hier sein und zusammen den Obstgarten anpflanzen. Es würde nicht allzu lange dauern.«
    »Abgemacht«, sagte Homer Wells. Die Küste, dachte er. Ich werde die Küste sehen. Und das Mädchen. Ich werde in diesem Auto fahren, mit diesem Mädchen.
    »Eine Hebamme, liebe Güte«, sagte Wally. »Ich schätze, du wirst wahrscheinlich Arzt werden?«
    »Ich glaube nicht«, sagte Homer Wells. »Ich weiß noch nicht.«
    »Na, Äpfel liegen bei mir in der Familie«, sagte Wally. »Ich werde aufs College gehen, aber ich weiß eigentlich nicht, was ich da soll.«
    College, dachte Homer Wells.
    »Candys Vater ist Hummerfischer«, erklärte Wally, »aber sie wird auch aufs College gehen.«
    Hummer! dachte Homer Wells. Der Grund des Meeres!
    Vom Grunde des Hügels winkte ihnen Schwester Angela.
    »Damariscotta ist bereit!« rief sie Homer Wells zu.
    »Ich muß gehen und für jemand ein Baby auf die Welt holen«, sagte Homer zu Wally.
    »Liebe Güte«, sagte Wally. Er schien nicht gewillt, den Hügel zu verlassen. »Ich glaube, ich werde hier oben bleiben. Ich glaube, ich möchte nichts hören«, fügte er hinzu; er schenkte Homer ein liebenswürdiges und offenherziges Lächeln.
    »Oh, da gibt es nicht viel zu hören«, sagte Homer; er dachte nicht an die Frau aus Damariscotta; er dachte an Candy. Er dachte an das knirschende Geräusch, das die Kürette machte, aber er ersparte seinem neuen Freund dieses Detail.
    Er ließ Wally auf dem Hügel zurück und trabte zu Schwester Angela; einmal schaute er sich nach Wally um und winkte. Ein Junge in seinem Alter! Ein Junge von seiner Größe! Sie waren gleich groß, auch wenn Wally muskulöser war – vom

Weitere Kostenlose Bücher