Gottes Werk und Teufels Beitrag
im Apfelgeschäft«, sagte Wally eben zu Dr. Larch. »Es ist das Geschäft meines Vaters. In Tat und Wahrheit«, fügte er hinzu, »ist es das Geschäft meiner Mutter.«
Was will dieser Narr? dachte Wilbur Larch.
»Oh, ich liebe Äpfel!« sagte Schwester Edna.
»Ich hätte jede Menge Äpfel mitgebracht«, sagte Wally, »aber es ist die falsche Jahreszeit. Sie sollten ihre eigenen Äpfel haben.« Er deutete auf die kahle Hügelflanke, die sich hinter ihnen erstreckte. »Sehen Sie sich diesen Hügel an«, sagte er. »Er wird abgeschwemmt. Sie sollten ihn bepflanzen. Ich könnte Ihnen sogar die Bäume besorgen. In sechs oder sieben Jahren würden Sie Ihre eigenen Äpfel haben; Sie könnten für mehr als hundert Jahre Äpfel haben.«
Was fange ich mit hundert Jahren Äpfeln an? dachte Wilbur Larch.
»Wäre das nicht fein, Wilbur?« fragte Schwester Edna.
»Und Sie könnten Ihre eigene Ciderpresse haben«, schlug Wally vor. »Den Kindern frische Äpfel geben und frischen Cider – sie hätten jede Menge zu tun.«
Sie brauchen nicht jede Menge zu tun, dachte Dr. Larch. Sie brauchen jede Menge zu Hause!
Sie sind von irgendeinem Wohltätigkeitsverein, dachte Schwester Angela und brachte ihre Lippen vorsichtig an Dr. Larchs Ohr: »Eine ansehnliche Stiftung«, flüsterte sie, nur damit Dr. Larch nicht grob wäre zu ihnen.
Sie sind zu jung, um ihr Geld zu verschenken, dachte Wilbur Larch.
»Bienen!« sagte Wally eben. »Sie sollten auch Bienen halten. Faszinierend für die Kinder und viel ungefährlicher, als die meisten glauben. Machen Sie Ihren eigenen Honig und geben Sie den Kindern einen Anschauungsunterricht – Bienen sind eine Modellgesellschaft, eine Lektion in Teamarbeit!«
Oh, halt den Mund, Wally, dachte Candy, wenn sie auch verstand, warum er nicht aufhören konnte zu plappern. Er war Umgebungen nicht gewöhnt, die er nicht augenblicklich aufheitern konnte; er war nicht gewöhnt an einen Ort, der so verzweiflungsvoll war, daß er Schweigen verlangte. Er war nicht gewöhnt, einen Schock aufzufangen, ihn einfach in sich aufzunehmen. Wallys 100-Stundenkilometer-Gerede war gut gemeint; er glaubte daran, die Welt zu verbessern – er mußte alles heil, alles besser machen.
Dr. Larch sah die Kinder in der Runde, die sich mit Honig und Gelee vollstopften. Sind sie hierhergekommen, um einen Tag mit den Waisen zu spielen und alle krank zu machen? fragte er sich. Er hätte Candy ansehen sollen; dann hätte er gewußt, warum sie hergekommen waren. Er konnte Frauen schlecht in die Augen sehen, unser Wilbur Larch; er hatte zu viele von ihnen unter der grellen Lampe gesehen. Schwester Angela fragte sich manchmal, ob Dr. Larch wußte, daß er dazu neigte, Frauen zu übersehen; sie fragte sich, ob dies ein Berufsrisiko bei Gynäkologen sei oder ob Männer mit einer Neigung, Frauen zu übersehen, sich zur Gynäkologie hingezogen fühlten.
Homer Wells übersah Frauen nicht; er sah ihnen direkt in die Augen, was vielleicht der Grund war, warum er ihre Lage auf den Beinstützen so beunruhigend fand. Komisch, dachte Schwester Angela, er hat alles gesehen, was Dr. Larch tut, und doch mag er nicht zuschauen, wenn ich oder Schwester Edna eine rasieren. Er war so unnachgiebig im Streit mit Dr. Larch über das Rasieren der Frauen vor den Abtreibungen. Es sei nicht notwendig, pflegte Homer zu sagen, und die Frauen fanden bestimmt keinen Gefallen daran, sich rasieren zu lassen.
»Gefallen?« pflegte Dr. Larch zu sagen. »Bin ich denn in der Unterhaltungsbranche?«
Candy fühlte sich hilflos; niemand schien zu begreifen, warum sie hier stand. Kinder rempelten sie in Hüfthöhe, und dieser verlegene, geheimnisvoll hübsche junge Mann, der wahrscheinlich so alt war wie sie, aber irgendwie älter wirkte … sollte sie ihm sagen, warum sie nach St. Cloud’s gekommen war? Sah man es ihr denn nicht an? Dann sah Homer sie an auf diese Art; ihre Augen begegneten sich. Candy dachte, er habe sie schon viele Male gesehen, er habe sie aufwachsen sehen, habe sie nackt gesehen, habe sogar den Akt beobachtet, der verantwortlich war für die besondere Schwierigkeit, die sie nunmehr der heilenden Hand darbot. Für Homer war es niederschmetternd, im Gesichtsausdruck der schönen Fremden, in die er sich verliebt hatte, etwas so Vertrautes und Bemitleidenswertes wiederzuerkennen wie eine weitere ungewollte Schwangerschaft.
»Ich glaube, drinnen werden Sie es angenehmer haben«, murmelte er ihr zu.
»Ja, danke«, sagte Candy, unfähig jetzt, ihm
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