Gottes Werk und Teufels Beitrag
mich nicht, die Fotze!« schrie er. »Muschelfischerfotze, Brunnenbohrerflitsche!« brüllte er. Er stand auf, er wirkte desorientiert; Wally stand mit ihm auf.
»Komm, Pop«, sagte er. »Ich fahr dich nach Hause.«
Sie nahmen Wallys Pick-up. Homer folgte ihnen mit dem alten Jeep, auf dem er Auto fahren gelernt hatte, nachdem Wally ihm versichert hatte, daß das Vehikel unverwüstlich war.
Alkohol, dachte Homer Wells; das kann einen sicher kaputtmachen.
Senior hatte auch all die anderen Symptome. Er war fünfundfünfzig; er sah aus wie siebzig. Er hatte Schübe von Paranoia und Größenwahn, von Quasselsucht. Seine wenigen unangenehmen Eigenarten – die er immer gehabt hatte – traten überdeutlich hervor; in seinem Fall das Nasenbohren. Er konnte eine Stunde lang ein Nasenloch erforschen. Er wischte Rotz an seine Hosenbeine und an die Möbel. Olives ordinärer Bruder, Bucky Bean, behauptete, Senior hätte einen Brunnenbohrer abgeben können. »So wie der in seinem Rüssel rumgräbt«, sagte er, »da könnte ich ihn wohl gebrauchen zum Brunnenbohren.«
Der Bademeister im Haven-Club, dessen Brust die volle Wucht der Grasshopper-Torte abgekriegt hatte, erwies sich als nicht gänzlich besänftigt. Er hatte etwas dagegen, daß Candy Homer im seichten Ende des Beckens das Schwimmen beibrachte; ausgerechnet am späten Nachmittag. Dann sei das Becken überfüllt, klagte er. Schwimmunterricht wäre normalerweise am frühen Morgen eingeplant, und er – der Bademeister – erteile ihn normalerweise – gegen eine Gebühr. Er wollte sich nicht einreden lassen, daß er sich eben anpassen sollte. Homer arbeite den ganzen Tag in Ocean View, machte Candy geltend. Am Spätnachmittag, wenn Wally nach der Arbeit Tennis spiele, sei die ideale Zeit, um Homer Unterricht zu geben.
»Ideal für dich«, wandte der Bademeister gegen Candy ein; er war ganz offensichtlich in sie verknallt. Auf Wally Worthington eifersüchtig zu sein war wohl eine Sache – das war jeder –, doch etwas ganz anderes war es, die Aufmerksamkeit zu erdulden, die Candy Kendall dem »unglücklichen Fall aus St. Cloud’s« schenkte. Im Haven-Club – niemals in Candys Anwesenheit oder in Anwesenheit eines der Worthingtons – wurde Homer nicht als das Findelkind oder der Waisenknabe bezeichnet, sondern als »der unglückliche Fall aus St. Cloud’s« – »Worthingtons unglücklicher Fall«, so wurde es manchmal ausgedrückt.
Homer sagte zwar, daß er nichts dagegen hätte, im privaten Schwimmbecken der Worthingtons in Ocean View zu üben, aber es wäre doch nett, wenn er und Candy im Haven-Club sein könnten, wenn Wally sein Tennisspiel beendete; dann könnten sie zusammen fortgehen, zum Strand, zu Ray Kendalls Anlegeplatz, wohin auch immer. Auch bekam man es im Schwimmbecken der Worthingtons mit Senior zu tun; zunehmend versuchte Olive, Senior im Hause festzuhalten, fern vom Haven-Club. Sie fand, daß sie ihn am besten ruhigstellen konnte, wenn sie ihm Gin und Tonicwater einflößte und ihn im Schwimmbecken festhielt – auf einer Luftmatratze treibend. Aber der eigentliche Grund, weshalb es (wie alle meinten) eine schlechte Idee war, daß Homer im unbeheizten Swimmingpool der Worthingtons schwimmen lernte, war, daß das kalte Wasser seinem Herzen einen Schock versetzen könnte.
Olive beschloß, daß sie Homers Unterricht von Candy übernehmen würde; sie wußte, daß der Bademeister im Haven-Club es nicht wagen würde, sich bei ihr zu beschweren; sie und Candy und Wally stimmten darin überein, daß die unaufgewärmte Erfahrung für Homer gefährlich werden könnte.
»Ich möchte nicht, daß ihr meinetwegen Unannehmlichkeiten habt«, sagte Homer verwirrt und zweifellos enttäuscht darüber, daß die Hände unter seinem Bauch, während er mit Armen und Beinen herumruderte, nicht mehr Candys, sondern Olives Hände waren. »Es ist nicht zu kalt für mich in eurem Becken, Wally«, sagte Homer.
»Es ist schwerer zu lernen, wenn’s kalt ist«, sagte Candy.
»Ja, das ist richtig«, sagte Olive.
»Nun, ich möchte im Meer schwimmen, sobald ich’s gelernt habe«, erzählte Homer ihnen. »Und im Meer ist es viel kälter als in eurem Swimmingpool.«
Oje, sorgte sich Olive. Sie schrieb an Dr. Larch wegen des »Herzfehlers«, worauf Larch sich schuldig fühlte und leicht in die Enge getrieben. Tatsächlich, so schrieb er ihr, bewirke kaltes Wasser nicht die Sorte Schock, wegen der er sich Sorgen mache; die Sorte Schock, die mit einem Unfall einhergehe –
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