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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Gittertür vor den Latten am Boden des Kastens schließen, der den Bienenstock barg; wenn man die Stöcke trug, wachten die Bienen auf, konnten aber nicht heraus. Die Bienenstöcke waren leicht, wenn sie vom Tiefladeanhänger getragen und über die Obstgärten verteilt wurden, und schwer vom Honig, wenn sie eine Woche später eingesammelt und wieder auf den Anhänger gepackt werden mußten. Manchmal war ein Stock zu schwer für einen allein. Wenn man die Bienenstöcke anstieß, fingen die Bienen drinnen an zu summen; man spürte ihre Erregung durch das Holz. Wenn Honig durch die Latten sickerte, konnte sich eine einzelne Biene in einem Honigtropfen verfangen, und das war die einzige Möglichkeit, wie man gestochen werden konnte.
    Einmal, als Homer, einen Bienenstock an die Brust gedrückt, vorsichtig auf den Anhänger zumarschierte, spürte er ein Vibrieren an den harten Brettern, die den Bienenstock bargen; sogar in der kühlen Nachtluft waren die Bretter warm; die Aktivität des Bienenstocks hatte Wärme erzeugt – wie eine Infektion, dachte Homer plötzlich. Er erinnerte sich an den harten Bauch der Frau, die er vor den Krämpfen gerettet hatte. Er dachte an die Aktivität im Uterus, die sowohl Wärme als auch Härte im Unterleib produzierte. Auf wie viele Unterleiber hatte Homer seine Hand gelegt, bevor er zwanzig war? Apfelanbau ist mir lieber, dachte er.
    In St. Cloud’s war Wachstum unerwünscht, auch wenn es zur Welt gebracht wurde, und nur zu oft wurden Schwangerschaften abgebrochen.
    Jetzt aber war es seine Aufgabe, die Dinge wachsen zu lassen. Daß alles so nützlich und alles erwünscht war, mochte Homer sehr an dem Leben in Ocean View.
    Er meinte sogar Vernon Lynch zu mögen, auch wenn die andern ihm erzählt hatten, daß Vernon seine Frau verprügelte, und obwohl Grace Lynch Homer so anschaute, daß ihm immer angst und bang wurde. Aus ihrem Blick konnte er nicht erkennen, ob es Verlangen oder Argwohn war oder einfach Neugier, was er sah. Grace sandte jene Art von Blicken aus, die man noch spürt, nachdem man aufgehört hat, sie zu erwidern.
    Vernon Lynch zeigte Homer, wie man spritzte. Es paßte gut zu Vernon Lynch, daß er für die Pestizide verantwortlich war, für Vernichtung.
    »Kaum sind die ersten Blätter da, schon gibt es Ärger«, sagte Vernon zu ihm. »Das ist im April. Man fängt im April an zu spritzen, und man hört nicht auf bis Ende August, wenn es ans Pflücken geht. Man spritzt jede Woche oder alle zehn Tage. Man spritzt gegen Schorf und gegen Insekten. Wir haben zwei Sprinkler hier, einen Hardie und einen Bien, und beide fassen fünfhundert Gallonen. Man trägt eine Atemmaske, um den Dreck nicht einzuatmen, aber die nützt einem nichts, wenn sie nicht richtig eng anliegt.« Gesagt, getan; schon legte Vernon Lynch die Atemmaske um Homers Kopf; Homer spürte seine Schläfen pochen. »Wenn du das Tuch in der Maske nicht dauernd wäschst, kannst du ersticken«, sagte Vernon. Er legte seine flache Hand über Homers Mund und Nase; Homer verspürte akuten Luftmangel. »Und deck dein Haar ab, wenn du nicht kahl werden willst.« Vernons Hand blieb über Homers Mund und Nase liegen. »Und behalt die Schutzbrille auf, wenn du nicht blind werden willst«, fügte er hinzu. Homer dachte daran, sich zu wehren, beschloß aber, seine Kräfte zu sparen, und während er sich innerlich darauf vorbereitete, in Ohnmacht zu fallen, fragte er sich, ob es wahr sei oder nur eine Redensart, daß die Lungen barsten. »Wenn du, wie man so sagt, eine offene Wunde hast, einen Schnitt vielleicht, und der Dreck kommt da rein, kannst du steril werden«, sagte Vernon Lynch. »Das heißt, keinen lausigen Steifen mehr.« Homer klopfte Vernon auf die Schulter und winkte ihm zu, als wolle er ihm einen allzu komplizierten Sachverhalt durch Zeichensprache vermitteln. Ich kann nicht atmen! Ich kann nicht atmen! Hallo, da draußen!
    Als Homers Knie nachgaben, riß Vernon die Maske von seinem Gesicht – das Kopfband zerrte seine Ohren nach oben und zerzauste sein Haar.
    »Hast du jetzt ’ne Vorstellung?« fragte Vernon.
    »Richtig!« rief Homer, und seine Lungen japsten.
    Er mochte sogar Herb Fowler. Er war mit Herb kaum zwei Minuten zusammen, als auch schon das erste Präservativ in seine Richtung segelte und ihn an der Stirn traf. Das einzige, was Meany Hyde gesagt hatte, war: »He, Herb, das hier ist Homer Wells – er ist Wallys Kumpel aus St. Cloud’s.« Und schon hatte Herb den Gummi in Homers Richtung

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