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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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deprimiert herumgelegen hatte. Mrs. Grogan war zu verblüfft, um etwas zu sagen.
    Als Dr. Larch die Damen wieder ihrem Tee überließ und ins Spital zurückkehrte, fand Schwester Edna als erste die Sprache wieder. »Wilbur arbeitet so schwer«, sagte sie vorsichtig. »Ist es nicht ein Wunder, daß er noch Zeit findet für Späße?«
    Mrs. Grogan war immer noch sprachlos, doch Schwester Angela sagte: »Ich glaube, der Alte hat nicht mehr alle Tassen im Schrank.«
    Schwester Edna schien durch diese Bemerkung persönlich gekränkt; sehr ruhig stellte sie ihre Teetasse auf die Untertasse, bevor sie sprach: »Ich glaube, es ist der Äther«, sagte sie leise.
    »Ja und nein«, sagte Schwester Angela.
    »Sie meinen, es ist auch Homer Wells?« fragte Mrs. Grogan.
    »Ja«, sagte Schwester Angela. »Es ist der Äther und es ist Homer Wells, und es ist das Alter, und es sind diese neuen Mitglieder im Ausschuß. Es ist einfach alles. Es ist Saint Cloud’s.«
    »Es ist das, was auch mit Melony passierte«, sagte Mrs. Grogan, doch als sie Melonys Namen aussprach, brach sie in Tränen aus. Oben hörte Mary Agnes Cork Melonys Namen und weinte.
    »Homer Wells wird zurückkehren, ich weiß es einfach«, sagte Schwester Angela, doch das brachte sie so zum Weinen, daß Schwester Edna jetzt Mrs. Grogan und Schwester Angela trösten mußte. »Na, na«, sagte Schwester Edna zu ihnen, aber sie fragte sich: Wo ist der junge Mann oder die junge Frau, der oder die eines Tages für uns alle sorgen wird?
    »O Herr«, begann Mrs. Grogan. Oben senkte Mary Agnes Cork den Kopf und faltete ihre Hände; wenn sie ihre Handballen in einem gewissen Winkel gegeneinanderdrückte, gelang es ihr, ein wenig von dem Schmerz ihrer alten Schlüsselbeinverletzung wiederzubeleben. »O Herr«, betete Mrs. Grogan, »steh uns bei diesen Tag, bis die Schatten länger werden und der Abend kommt und das Treiben der Welt verstummt und die Hast des Lebens vorbei ist und unsere Arbeit getan.«
    In dieser Nacht, in der Dunkelheit und im Einklang mit dem Stöhnen einer Eule, flüsterte Schwester Edna still für sich: »Amen«, während sie auf Dr. Larch lauschte, der seine Runde machte und jeden der Jungen küßte – sogar Smoky Fields, der sein Essen hamsterte und es im Bett versteckte, das stank, und der nur so tat, als ob er schliefe. 
     
    Auf dem Riesenrad hoch über dem Lunapark und dem Stand von Cape Kenneth versuchte Homer, das Dach des Ciderhauses auszumachen, doch es war dunkel, und es gab keine Lichter im Ciderhaus – und auch wenn das Ciderhaus beleuchtet gewesen wäre, oder wenn das denkbar hellste Tageslicht geherrscht hätte, war das Haus doch zu weit entfernt. Nur die am hellsten funkelnden Lichter des Lunaparks, vor allem die deutlichen Lichter des Riesenrades waren sichtbar vom Ciderhausdach; umgekehrt funktionierte es nicht.
    »Ich möchte Pilot werden«, sagte Wally. »Ich möchte fliegen, ehrlich. Hätte ich meinen Pilotenschein und mein eigenes Flugzeug, dann könnte ich das ganze Spritzen in den Obstgärten übernehmen – ich würde ein Farm-Flugzeug kaufen, aber ich würde es anmalen wie ein Jagdflugzeug. Es ist so mühselig, diese doofen Sprinkler mit diesen doofen Traktoren über diese doofen Hügel hin und her zu schleppen.«
    Genau das tat Candys Vater Ray in diesem Augenblick; Meany Hyde war krank, und Everett Taft, der Vorarbeiter, hatte Ray gefragt, ob es ihm etwas ausmachte, eine Nachtspritzung zu fahren – Ray kannte sich besonders gut mit dem Gerät aus. Es war die letzte Spritzung vor der Ernte, und irgendwo im dunklen Grün des Hinterlands, das sich unter dem Riesenrad erstreckte, spritzten sich Raymond Kendall und Vernon Lynch ihre Bahn durch Ocean View.
    Manchmal spritzte Wally; Homer lernte es gerade. Und manchmal spritzte Herb Fowler, doch Herb protestierte gegen das Nachtspritzen. (»In der Nacht habe ich Besseres zu tun«, pflegte er zu sagen.) In der Nacht ließ es sich besser spritzen, weil abends der Wind abflaute, vor allem entlang der Küste.
    Wally spritzte nicht an diesem Abend, weil es seine letzte Nacht zu Hause war; am anderen Morgen sollte er ans College zurückkehren.
    »Du kümmerst dich doch für mich um Candy, nicht wahr, Homer?« fragte Wally, als sie über der felsigen Küste und dem dichtbevölkerten Strand von Cape Kenneth schwebten; die vereinzelten Lagerfeuer der Sommerschluß-Strandfeste blinkten; das Rad kreiste abwärts.
    Candy würde ihr Abschlußjahr an der Mädchenakademie in Camden beenden; die

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