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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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nur verschärfen könne und daß er ihn draußen in der Welt erst einmal Selbstvertrauen gewinnen lassen wolle, bevor er ihn mit diesem gefährlichen Wissen belastete – wiewohl er die Absicht habe, dies in Kürze nachzuholen. Larch sagte, er habe die Worthingtons über den Herzfehler informiert; sie seien daher besonders fürsorglich zu Homer; er habe es nicht für nötig gehalten, ihnen das Vorhandensein eines Herzgeräusches aufzuführen oder im einzelnen auf die genauen Merkmale der Pulmonalklappenstenose einzugehen. Er werde sich glücklich schätzen, dem Ausschuß bei Bedarf diese Einzelheiten zu übermitteln. Viel Spaß fand er daran, sich Mrs. Goodhall beim Durchmustern einer Röntgenaufnahme vorzustellen.
    Abschließend meinte er, daß er das Ersuchen des Ausschusses um diese Erfahrungsberichte für eine gute Idee hielte und daß ihm deren Ausarbeitung viel Freude bereitet habe; weit entfernt davon, eine Verwaltungshilfe zu benötigen, um solche Arbeiten zu erledigen, sagte Larch, er habe sich eindeutig gestärkt gefühlt durch die so »willkommene Aufgabe« – denn, so fügte er hinzu, etwas über das Leben seiner Waisen in der Adoption zu erfahren, das sei ihm schon immer am Herzen gelegen. Und manchmal auf den Geist gegangen, dachte er.
    Er war erschöpft und vergaß, einen neugeborenen Knaben zu beschneiden, den Schwester Angela für die Operation vorbereitet hatte. Er verwechselte eine Frau, die auf eine Abtreibung wartete, mit einer Frau, die er tags zuvor entbunden hatte, und sagte ihr darum, daß ihr Baby ganz gesund sei und daß es ihm gutgehe. Er schüttete sich eine kleine Menge Äther über das Gesicht und mußte sein Auge ausspülen.
    Er wurde ärgerlich, weil er zu viele Präservative bestellt hatte – er hatte viel zu viele Gummis herumliegen. Seit Melony fortgegangen war, klaute niemand mehr die Gummis. Als er an Melony dachte, begann er sich Sorgen zu machen, was ihn ebenfalls ärgerte.
    Er ging zurück in Schwester Angelas Büro und schrieb einen Bericht, einen wahren, über David Copperfields Lispeln; er versäumte zu erwähnen, daß David Copperfield von Homer entbunden worden war und von ihm einen Namen bekommen hatte. Er schrieb einen leicht fiktiven Bericht über den Waisenjungen namens Steerforth und merkte an, daß dessen Entbindung so glatt verlaufen sei, daß Schwester Edna und Schwester Angela dabei ganz ohne Hilfe des Arztes ausgekommen waren. Er schrieb die Wahrheit über Smoky Fields: der Junge hamsterte Essen, ein Merkmal, das in der Mädchenabteilung weiter verbreitet war als in jener der Knaben, und Smoky zeigte allmählich eine Form von Schlaflosigkeit, wie Larch es in St. Cloud’s nicht mehr erlebt hatte »seit den Tagen von Homer Wells«.
    Die Erinnerung an diese Tage trieb ihm sofort Tränen in die Augen, doch er fing sich genügend, um niederzuschreiben, daß er selbst und auch Mrs. Grogan sich Sorgen machten über Mary Agnes Cork: seit Melonys Fortgehen neige sie zu Depressionen. Er sagte auch die Wahrheit über Melony, auch wenn er beschloß, keinerlei Zerstörungstaten aufzuzählen. Über Mary Agnes schrieb Larch: »Vielleicht sieht sie sich als Melonys Nachfolgerin, aber sie hat nicht den dominierenden Charakter, der jeweils mit einer Machtoder Führungsrolle einhergeht.« Das wird dem Idioten Dr. Gingrich gefallen, stellte Larch sich vor. »Rolle«, sagte Larch laut, verächtlich. Als ob Waisen sich den Luxus leisten könnten, davon zu träumen, daß sie Rollen spielten.
    Einer Eingebung folgend, ging er in die Apotheke und pustete zwei Präservative auf. Er mußte die Dinger irgendwie aufbrauchen, dachte er. Mit einem Wäschezeichner schrieb er den Namen Gingrich auf das eine Präservativ und den Namen Goodhall auf das andere. Dann nahm er diese spaßigen Luftballons und ging Schwester Angela und Schwester Edna suchen.
    Sie waren in der Mädchenabteilung und tranken Tee mit Mrs. Grogan, als Dr. Larch sie fand.
    »Ah-ha!« sagte Larch und überraschte die Damen, die es nicht gewöhnt waren, ihn in der Mädchenabteilung auftauchen zu sehen, außer für die allabendliche Dosis Jane Eyre – und noch weniger, ihn mit bemalten Präservativen vor ihren Gesichtern herumfuchteln zu sehen.
    »Dr. Gingrich und Missus Goodhall, sehr angenehm!« sagte Larch und verbeugte sich vor den Anwesenden. Worauf er ein Skalpell nahm und die Präservative platzen ließ. Im Stockwerk über ihnen hörte Mary Agnes Cork den Knall und fuhr von ihrem Bett hoch, auf dem sie mürrisch und

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