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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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meisten Wochenenden würde sie nach Hause kommen, aber Wally würde in Orono bleiben, außer am Erntedankfest und an Weihnachten und in den längeren Ferien.
    »Richtig«, sagte Homer Wells.
    »Wenn ich fliegen würde – im Krieg«, sagte Wally. »Wenn ich einrücken würde, und wenn ich fliegen würde, ich meine, wenn ich in einem Bomber wäre, dann wäre ich lieber in der B-24 als in der B-25. Ich wäre lieber strategisch als taktisch; lieber Sachen bombardieren als Menschen. Und ich würde nicht gern ein Jagdflugzeug fliegen im Krieg. Das bedeutet ebenfalls, auf Menschen zu schießen.«
    Homer Wells wußte nicht, wovon Wally sprach; Homer verfolgte den Krieg nicht – er wußte nichts von den Nachrichten. Eine B-24 war ein schwerer viermotoriger Bomber, der für strategische Bombardements eingesetzt wurde – Brücken, Ölraffinerien, Treibstoffdepots, Eisenbahnschienen. Er traf die Industrie, er warf seine Bomben nicht auf Armeen. Dies war die Aufgabe der B-25 – eines mittleren taktischen Bombers. Wally hatte den Krieg studiert – mit mehr Interesse, als er seinen Botanikkurs (oder seine anderen Kurse) an der University of Maine verfolgte. Doch der Krieg, der damals in Maine »der Krieg in Europa« genannt wurde, kam Homer gar nicht in den Sinn. Um Kriege kümmern sich Leute, die eine Familie haben.
    Hatten Beduinen Kriege, fragte sich Homer Wells. Und wenn ja, wieweit kümmerten sie sich um sie?
    Er wartete begierig darauf, daß die Ernte anfing; er war neugierig, die Wanderarbeiter kennenzulernen, die Neger zu sehen. Er wußte nicht, warum. Waren sie ähnlich wie Waisen? Gehörten sie nicht so recht dazu? Waren sie im Grunde nicht nützlich genug?
    Weil er Wally liebte, beschloß er, nicht an Candy zu denken. Es war ein sehr kühner Entschluß, noch gesteigert durch sein Hochgefühl auf dem Riesenrad. Und an diesem Abend gab es auch einen Plan; Homer Wells – eine auf Routine festgelegte Waise – liebte es, für jeden Abend einen Plan zu haben, auch wenn er über diesen hier nicht so sehr begeistert war.
    Er fuhr Wally in Seniors Cadillac zu Kendalls Hummerbassin, wo Candy wartete. Dort ließ er Candy und Wally allein. Ray würde einige Stunden ausbleiben und spritzen, und Candy und Wally wünschten sich vor dem Nachhausefahren ein zärtliches Lebewohl. Homer wollte Debra Pettigrew abholen und sie ins Autokino von Cape Kenneth ausführen; es würde ihr erstes Autokino sein ohne Candy und Wally, und Homer fragte sich, ob jene Hier-anfassen-dortnicht-Spielregeln abgewandelt sein würden, wenn er und Debra allein waren. Während er sich einen wohlberechneten Weg zwischen den bösartigen Hunden der Pettigrews hindurch bahnte, war er über sich selber enttäuscht, weil er nicht darauf brannte, herauszufinden, ob Debra nun wollte oder nicht. Ein besonders athletischer Hund schnappte sehr laut neben seinem Gesicht, aber die Kette um den Hals des Hundes schien das Tier mitten in der Luft zu strangulieren; es landete derb – mit einem deutlichen Ächzen – auf seinem Brustkasten und kam nur langsam wieder auf die Beine. Warum hielten die Leute Hunde? fragte sich Homer.
    Es war ein Wildwestfilm, aus dem Homer nur folgern konnte, daß die Durchquerung des Landes in einem Wagentreck eine Übung in Wahnsinn und Einsamkeit sei; wenigstens, so dachte er, hätte man vor dem Aufbruch ein paar Verabredungen mit den Indianern treffen sollen. Dem Film fehlte es an allen Verabredungen, und Homer schaffte es nicht, den Gebrauch von Herb Fowlers Gummis zu verabreden, die er in der Tasche trug – »für alle Fälle«. Debra Pettigrew war entschieden freier, als sie es je gewesen war, aber zuletzt war ihre Hemmung nicht weniger entschieden.
    »Nein!« kreischte sie einmal.
    »Es ist nicht nötig, zu schreien«, sagte Homer Wells und nahm seine Hand von der verbotenen Stelle.
    »Nun, dies war das zweite Mal, daß du diese gewisse Sache gemacht hast«, warf Debra ihm vor – eine mathematische Gewißheit (und andere Gewißheiten) deutlich in ihrer Stimme. Damals, 194–, in Maine, mußte Homer sich damit abfinden, daß das, was man »Petting« nannte, erlaubt war; was man »Anmachen« nennt, lag im Bereich der Spielregeln; doch was er mit Melony gemacht hatte, was Grace Lynch ihm anzubieten schien und was Candy und Wally machten (oder wenigstens einmal gemacht hatten): auf all dies lautete die Antwort: »Nein!«
    Wie aber war Candy überhaupt schwanger geworden? fragte sich Homer Wells, Debra Pettigrews feuchtes Gesichtchen an

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