Gottes Werk und Teufels Beitrag
zum Angriff übergegangen und hat die Luft bewegt?
Und, ist es ungefährlich?
Nach Wilbur Larchs Meinung war Liebe gewiß nicht ungefährlich – niemals. Wegen seiner eigenen fortschreitenden Gebrechlichkeit, seit Homer Wells St. Cloud’s verlassen hatte, hätte er wohl gesagt, daß die Liebe zu tadeln sei; wie zaghaft war er geworden, was manche Dinge betraf, und unverhofft reizbar hinsichtlich anderer. Schwester Angela hätte ihn darauf aufmerksam machen können, daß seine neuerlichen Anfälle von Schwermut und Zorn ebensowohl die Folge seiner fünfzigjährigen Äthersucht und seines fortgeschrittenen Alters wie auch die Folge seiner bänglichen Liebe zu Homer Wells waren. Mrs. Grogan, wäre sie gefragt worden, hätte ihm sagen können, daß er wohl eher an dem, wie sie es nannte, St.-Cloud’s-Syndrom litt als an der Liebe; Schwester Edna hätte niemals die Liebe für irgend etwas verantwortlich gemacht.
Doch Wilbur Larch betrachtete die Liebe als eine Krankheit, noch heimtückischer als die Poliomyelitis, der Präsident Roosevelt so wacker standgehalten hatte. Und konnte man Larch tadeln, wenn er die sogenannten Produkte der Empfängnis als »Folgen der Liebe« bezeichnete? – auch wenn seine guten Schwestern bestürzt waren, wenn er so sprach. Hatte er nicht ein Recht, hart über die Liebe zu urteilen? Immerhin gab es viele Zeugnisse – sowohl in den Produkten der Empfängnis wie auch in den damit verbundenen Leiden und dem kaputten Leben so vieler von Dr. Larchs Waisen – um seine Auffassung zu rechtfertigen, daß die Liebe nicht gefahrloser war als ein Virus.
Hätte er die Macht der Kollision zwischen Candy Kendall und Homer Wells gespürt – hätte er ihren Schweiß geschmeckt und die Spannung in den Muskeln ihrer glänzenden Rücken erfühlt; hätte er die Qual gehört und die Befreiung von der Qual, die aus ihren Stimmen herauszuhören war: Wilbur Larch hätte seine Meinung nicht geändert. Ein flüchtiger Blick auf solche Leidenschaft hätte ihn in seiner Auffassung von der Gefährlichkeit der Liebe bestätigt, und er wäre versteinert gewesen wie die Mäuse.
Nach Dr. Larchs Auffassung war die Liebe, selbst wenn er seine Patientinnen dazu bewegen konnte, irgendeine Methode der Geburtenkontrolle zu praktizieren, niemals gefahrlos.
»Man bedenke die sogenannte Zyklusmethode«, schrieb Wilbur Larch. »Hier in St. Cloud’s sehen wir viele Folgen der Zyklusmethode.«
Er ließ eine Broschüre drucken, in schlichtesten Blockbuchstaben:
Gebräuchliche Arten des Missbrauchs von Präservativen
Er schrieb, als schriebe er für Kinder; was er in manchen Fällen auch tat.
1. manche männer ziehen das präservativ nur über die spitze des penis: das ist ein fehler, weil das präser- vativ abgleiten wird. es muss über den ganzen penis gezogen werden, und es muss angezogen werden, wenn der penis erigiert ist.
2. manche männer versuchen das präservativ ein zweites mal zu gebrauchen: das ist ebenfalls ein fehler. sobald man ein präservativ abgezogen hat, wirft man es weg! und man wasche seine genitalre- gion gründlich, bevor man sich weiteren kontakt mit seiner partnerin erlaubt – spermien sind lebe- wesen (zumindest für kurze zeit), und sie können schwimmen!
3. manche männer holen das präservativ aus seiner verpackung und setzen den gummi zu lange dem licht und der luft aus, bevor sie ihn gebrauchen; folglich trocknet der gummi aus und bekommt risse und löcher. das ist ein fehler! spermien sind ganz winzig – sie können durch risse und löcher schwimmen!
4. manche männer bleiben lange in ihrer partnerin drin, nachdem sie ejakuliert haben; ein krasser fehler! der penis schrumpft! wenn der penis nicht mehr erigiert ist und wenn der mann endlich sei- nen penis aus seiner partnerin zieht, kann das prä- servativ ganz abgleiten. die meisten männer spüren es nicht einmal, wenn das geschieht, doch welch eine schweinerei! im innern der frau hat man somit ein ganzes präservativ hinterlassen, und all diese permien!
Und manche Männer, hätte Homer Wells – an Herb Fowler denkend – hinzufügen können, verteilen an ihre Mitmenschen Präservative mit Löchern darin.
In dem Ciderhaus auf Ocean View, hingekauert mit den kauernden Mäusen, konnten Homer Wells und Candy Kendall sich nicht aus ihrer Umarmung lösen. Zum einen war die Matratze so schmal – es war nur möglich, sich die Matratze zu teilen, wenn sie vereint blieben –, und zum anderen hatten
Weitere Kostenlose Bücher