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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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bekommen«, sagte Candy.
    »Oder es zu bekommen«, sagte Homer Wells. »Es ist auch mein Baby.«
    »Wie könnte ich ein Baby bekommen, ohne daß jemand erfährt, daß ich es bekommen habe?« fragte Candy; sie würgte wieder, und die dicke Dot Taft kam die Kette der Packerinnen herauf, um zu sehen, was los sei.
    »Homer, was sind das für Manieren, einer jungen Dame beim Kotzen zuzuschauen?« fragte ihn Big Dot. Sie legte ihren mächtigen Arm um Candys Schulter. »Komm weg von der Tür, Schätzchen«, sagte Big Dot Taft zu Candy. »Komm und arbeite weiter unten in der Kette – da riecht man nur die Äpfel. Da bei der Tür kommt das Auspuffgas vom Traktor herein.«
    »Bis später«, murmelte Homer – zu Candy und auch zu Big Dot.
    »Niemand hat es gern, sich im Beisein des andren Geschlechts zu erbrechen, Homer«, klärte Big Dot ihn auf.
    »Richtig«, sagte Homer Wells, Waise und künftiger Vater.
    In Maine gilt es für klüger, etwas nur zu wissen, als darüber zu reden; daß niemand sagte, daß Candy Kendall schwanger sei, bedeutete nicht unbedingt, daß man nicht wußte, daß sie es war. In Maine geht man davon aus, daß jeder Junge jedes Mädchen in Schwierigkeiten bringen kann. Was die beiden dagegen tun, ist ihre Sache; wenn sie Rat wollen, sollen sie fragen.
    »Wenn Du eine Waise wärst, was würdest Du lieber haben?« schrieb Wilbur Larch einmal in Eine kurze Geschichte von St. Cloud’s. »Eine Waise oder eine Abtreibung?«
    »Eine Abtreibung, ganz entschieden«, hatte Melony einmal gesagt, als Homer Wells sie fragte. »Und du?«
    »Ich würde lieber die Waise haben«, hatte Homer gesagt.
    »Du bist einfach ein Träumer, Sonnenstrahl«, hatte Melony zu ihm gesagt.
    Jetzt glaubte er, daß es stimmte; er war einfach ein Träumer. Er verwechselte die High-School-Kinder miteinander und schrieb manchen von ihnen Bushels gut, die andere Kinder gepflückt hatten. Er hinderte zwei Jungen daran, einander mit Äpfeln zu bewerfen, und fand, er müsse ein Exempel an ihnen statuieren – um das Obst zu schützen und um seine Autorität zu festigen. Aber während er die Jungen zurück zum Apfelmarkt fuhr, wo er sie zwang, zu warten, ohne Schwierigkeiten zu machen – und einen Vormittag des Äpfelpflückens zu versäumen –, brach zwischen den anderen High-School-Kindern eine allgemeine Apfelschlacht aus, und als Homer in den Garten zurückkehrte, mußte er einen regelrechten Krieg schlichten. Die Kisten, die bereits auf den Anhänger verladen waren, waren von Apfelresten verklebt, und das erhitzte Schutzblech des Traktors stank nach verbrannten Äpfeln (irgend jemand mußte versucht haben, den Traktor als »Deckung« zu nutzen). Vielleicht wäre Vernon Lynch ein besserer Vorarbeiter für die High-School-Kinder gewesen, dachte Homer. Das einzige, was Homer wollte, war, die Sache mit Candy richtig zu machen.
    Wenn sie jetzt auf Ray Kendalls Anleger saßen, saßen sie eng beieinander, und sie saßen nicht lange – es wurde allmählich kalt. Sie saßen zusammengekauert an einem der Pfosten am Ende des Stegs, wo Ray Candy – so viele Male – mit Wally hatte sitzen sehen, und ungefähr in derselben Haltung (auch wenn Wally, wie Ray feststellte, stets aufrechter dagesessen hatte, als sei er bereits damals an einen Pilotensitz angeschnallt gewesen).
    Ray Kendall verstand, warum sie notgedrungen über den Vorgang des Sichverliebens grübeln mußten, aber sie taten ihm leid; er wußte, daß das Verlieben niemals als ein so verdrießlicher Augenblick gedacht gewesen war. Und doch hatte Ray alle Achtung vor Olive, und er wußte auch, daß Homer und Candy nur ihretwegen Trauernde in ihrem eigenen Liebesroman sein mußten.
    »Ihr solltet einfach fortgehen«, sagte Ray aus dem Fenster zu Homer und Candy; er sprach sehr leise, und das Fenster war zu.
    Homer fürchtete, daß er, wenn er darauf beharrte, daß Candy ihn heirate – darauf beharrte, daß sie ihrer beider Baby bekam –, sie zwingen würde, ihn völlig abzuweisen. Er wußte auch, daß Candy sich vor Olive fürchtete; es war nicht so, daß Candy so sehr darauf erpicht gewesen wäre, eine zweite Abtreibung zu bekommen – Homer wußte, daß Candy ihn heiraten und noch am gleichen Tag ihr Baby bekommen wollte, wenn sie es hätte vermeiden können, Olive die Wahrheit zu sagen. Candy schämte sich nicht für Homer; sie schämte sich auch nicht dafür, schwanger zu sein. Candy schämte sich, weil Olive ihr dann vorwerfen würde, ihre Liebe zu Wally reiche offenbar nicht aus

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