Gottes Werk und Teufels Beitrag
schienen sie ihn zu verstehen. Mußten aus einer großen Familie stammen, dachte Wally. »Ich bin gelähmt, nicht wahr?« fragte er die hübschen kleinen Männer und Frauen, die immerzu lächelten. Eine der Frauen wusch und kämmte sein Haar; ihre ganze Familie schaute zu, wie die Sonne Wallys Haar trocknete und einen blonden Schimmer darin aufglühen ließ, was alle maßlos beeindruckte!
Sie gaben ihm eine lange, reinweiße Bluse anzuziehen. »Aingyis«, sagten sie. Oh, es ist ein Geschenk von ihr! dachte er. Dann verdeckten sie sein blondes Haar mit einer schwarzen Perücke – es war ein wächserner Zopf, und sie türmten ihn hoch auf seinen Kopf und verzierten ihn mit Blumen. Die Kinder kicherten. Sie rasierten sein Gesicht so scharf, daß seine Haut brannte; sie rasierten seine Beine – unter den Knien, wo seine Beine aus dem langen Rock herausragten, den sie ihn hatten anziehen lassen. Der Sinn des Spiels war, ihn in Sicherheit zu bringen, ihn untertauchen zu lassen. Weil sein Gesicht so hübsch war, war es leichter für sie, eine Frau aus ihm zu machen als einen Mann; die birmesische Idealfrau hat keine Brüste.
Schade, daß sie nicht sorgfältiger waren, wenn sie ihn katheterisierten – sie waren so sorgfältig bei allem anderen. Der Bambusstengel war nicht immer sauber; die Rauheit des Katheters führte zu Blutungen, doch der Schmutz bescherte ihm die Infektion. Sie sollte ihn steril machen. Der Nebenhoden, so hätte Wilbur Larch ihn aufklären können, ist eine einzige geringelte Röhre, in der die Spermien heranreifen, nachdem sie das Testikel verlassen haben. Bei einer Nebenhodenentzündung wird das Spermium daran gehindert, den Samenleiter zu erreichen. In Wallys Fall versiegelte die Infektion seinen Leiter für immer.
Sie taten gut daran, ihn zu katheterisieren – falsch war nur die Methode. Er litt an Harnretention, seine Blase war überdehnt – sie hatten keine andere Wahl, als ihm Erleichterung zu verschaffen. Manchmal fragte sich Wally, ob es nicht einen leichteren Weg gäbe – oder ob der Bambus sauber sei – aber was konnte er ihnen sagen? »Aingyis«, pflegte er zu sagen. »Nga Sak Kin?« pflegte er sie zu fragen.
Monate später sollte er das Bombardement hören. »Irrawaddy«, sollten sie ihm erklären. Man bombardierte die Ölfelder am Irrawaddy. Wally wußte, wo er war. Er hatte ebenfalls diese Ölfelder bombardiert. Bevor er das Bombardement hörte (und als Frau verkleidet, wie immer), wurde er zu einem Arzt in Mandalay gebracht. Seine Augen schmerzten, weil sie ihm eine Currypaste ins Gesicht gerieben hatten, um ihn bräunlich aussehen zu lassen. Doch aus der Nähe, mit den blauen Augen und der patrizierhaften Nase, hätte er niemanden täuschen können. Er sah viele Japaner in Mandalay. Der Arzt hatte Mühe, Wally zu erklären, was ihm fehle. Er sagte folgendes auf englisch: »Japanisches B-Moskito.«
»Ich wurde von einem japanischen Moskito gestochen?« sagte Wally. Aber was war ein B-Moskito? fragte er sich. Er brauchte keinen Katheter mehr, um zu pinkeln, doch die Infektion hatte ihr Unheil angerichtet.
Zu der Zeit, als er das Bombardement am Irrawaddy hörte, war die Lähmung aus seinen oberen Extremitäten gewichen – er konnte seine Arme wieder voll gebrauchen –, und die Spastizität war aus seinen Beinen gewichen; auch wenn seine Beine immer noch gelähmt waren, war es eine schlaffe Lähmung und nicht ganz symmetrisch (sein linkes Bein war lebloser als sein rechtes). Seine Blase war in Ordnung, und abgesehen von den Auswirkungen des Curry war auch sein Darm in Ordnung; was er von seiner geschlechtlichen Funktion spürte, fühlte sich normal an.
»Es gibt keine autonomen Folgen der Enzephalitis«, sollte Wilbur Larch Candy und Homer Wells erklären.
»Was heißt das?« fragte Candy.
»Es heißt, daß Wally ein normales Geschlechtsleben haben kann«, sagte Homer Wells, der nichts wußte von Wallys Epididymis. Wally würde ein normales Geschlechtsleben haben, aber er würde keine ausreichende Spermienzahl haben. Er würde immer noch einen Orgasmus und eine Ejakulation haben – weil die Samenflüssigkeit hauptsächlich in der Prostata produziert wird, die etwas weiter unten liegt. Er würde nur niemals ein eigenes Kind zeugen können.
Zu jener Zeit wußte keiner von ihnen, daß Wally steril geworden war; sie wußten nur von der Enzephalitis.
Wally hatte sie sich von den Moskitos eingefangen. Sie hieß Japanische B-Enzephalitis, und sie war während des Krieges in
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