Gottes Werk und Teufels Beitrag
Asien ziemlich verbreitet. »Es ist ein Zeckenvirus«, erklärte Wilbur Larch.
Eine residuelle schlaffe Lähmung der unteren Extremitäten war keine häufige Folge der Krankheit, doch sie war gut genug bekannt, um wissenschaftlich dokumentiert zu sein. Da gibt es zahlreiche Veränderungen, die im Gewebe des Gehirns stattfinden, aber die Veränderungen, die im Rückenmark stattfinden, ähneln sehr der Poliomyelitis. Die Inkubationszeit beträgt ungefähr eine Woche, und der akute Krankheitsverlauf beträgt nur eine Woche bis zehn Tage; die Genesung ist sehr langsam, mit Muskeltremor, der manchmal Monate anhält.
»Eine schwere Krankheit, die die Vögel da übertragen«, sagte Wilbur Larch zu Schwester Edna und zu Schwester Angela.
Der Moskito holt sich das Virus von den Vögeln und überträgt es auf Menschen und andere große Säugetiere.
Wallys Gesicht war so hübsch, und er hatte so viel Gewicht verloren; das war der Grund, warum sie ihn als Frau verkleideten. Die Japaner fühlten sich angezogen wie auch eingeschüchtert von den birmesischen Frauen – besonders den Frauen von Padaung mit ihren hohen Messingcolliers, die in Spiralen gewunden wurden, um den Hals zu strekken. Daß Wally ein Invalide und eine Frau war, machte ihn unberührbar. Daß sie ihm ein eurasisches Aussehen verpaßt hatten, machte ihn auch zum Kastenlosen.
Als die Monsunzeit endete, im Oktober, reisten sie entweder nachts auf dem Fluß, oder sie schützten ihn mit einem Regenschirm vor der Sonne – und wieder mit Currypaste. Er wurde der Curryfischbällchen überdrüssig, aber er fragte immer wieder danach – so jedenfalls meinten die Birmesen; sie waren das einzige, was sie ihm gaben. Und wenn er delirierte, sagte er Candys Namen. Einer der Bootsleute fragte ihn danach.
»Candy?« erkundigte er sich höflich. An diesem Tag waren sie auf einem Sampan. Wally lag unter einem Mattendach und beobachtete den Bootsmann beim Rudern.
»Aingyis«, sagte Wally. Er meinte, ähnlich wie sie – eine brave Frau, eine Ehefrau.
Der Bootsmann nickte. Im nächsten Hafen am Fluß – Wally wußte nicht, wo: es mochte Yandoon gewesen sein – gaben sie ihm abermals eine reinweiße Bluse.
»Candy!« sagte der Bootsmann. Wally glaubte, er meine: gib sie Candy. Er lächelte; er ließ sich einfach treiben.
Die spitze Nase des Sampan schien den Weg zu erschnuppern. Es war ein Land der Gerüche für Wally – es war ein duftender Traum.
Wilbur Larch konnte sich Wallys Reise vorstellen. Es war natürlich eine Ätherreise. Elefanten und Ölfelder, Reisterrassen und fallende Bomben, verkleidet als Frau und gelähmt von der Hüfte abwärts – Larch war dort gewesen; er war überall gewesen. Er hatte keine Mühe, sich Rangoon und Wasserbüffel vorzustellen. Jeder Äthertraum hatte sein Gegenstück an britischen Untergrundagenten, die amerikanische Piloten über den Golf von Bengalen schmuggelten. Wallys Reise durch Birma war ein Ausflug, wie ihn Wilbur Larch schon oft unternommen hatte. Der Johannisbeerduft von Petunien lag immer im Streit mit dem Gestank von Dung.
Man flog Wally über den Golf von Bengalen – in einem kleinen Flugzeug mit einem britischen Piloten und einer singhalesischen Besatzung. Wilbur Larch hatte viele solche Flüge unternommen.
»Sprichst du Singhala?« fragte der Engländer Wally, der auf dem Kopilotensitz saß. Der Pilot roch nach Knoblauch und Gilbwurz.
»Ich weiß nicht einmal, was Singhala ist«, sagte Wally. Wenn er seine Augen schloß, sah er immer noch die wächsernen weißen Blüten der wilden Limonellenbüsche; er sah immer noch den Dschungel.
»Hauptsprache von Ceylon, mein Junge«, sagte der Pilot. Der Pilot roch auch nach Tee.
»Wir fliegen nach Ceylon?« fragte Wally.
»Man kann keinen Blonden in Birma lassen, alter Knabe«, sagte der Engländer. »Weißt du nicht, daß Birma voller Nipponsöhne ist?« Doch Wally erinnerte sich lieber an seine eingeborenen Freunde. Sie hatten ihm beigebracht, Salaam zu sagen – eine tiefe Verbeugung, die rechte Hand an der Stirn (immer die rechte Hand, hatten sie erklärt); es war eine Verbeugung zum Gruß. Und wenn ihm übel war, hatte immer einer die Punkah für ihn bewegt – eine Punkah ist ein großer, schirmförmiger Fächer, der durch ein Seil bewegt wird (das von einem Diener gezogen wird).
»Punkah«, sagte Wally zu dem englischen Piloten.
»Was’s das, alter Knabe?« fragte der Pilot.
»Es ist so heiß«, sagte Wally, der sich schläfrig fühlte; sie flogen in sehr
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