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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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niedriger Höhe, und das kleine Flugzeug war ein Backofen. Ein Hauch von Sandelholz drang durch den stärkeren Knoblauch im Schweiß des Piloten.
    »Zweiundneunzig Grad, amerikanisch, als wir in Rangoon starteten«, sagte der Pilot. Der Pilot fand es witzig, »amerikanisch« zu sagen statt »Fahrenheit«, aber Wally merkte es nicht.
    »Zweiundneunzig Grad!« sagte Wally. Es war ihm, als sei dies die erste Tatsache, an die er den Hut hängen konnte, wie man in Maine zu sagen pflegt.
    »Was ist mit deinen Beinen passiert?« fragte der Engländer beiläufig.
    »Japanischer B-Moskito«, erklärte Wally. Der britische Pilot blickte ernst; er glaubte, Wally meine ein Flugzeug – als sei Japanischer B-Moskito der Name eines Jagdflugzeugs, das Wallys Flugzeug abgeschossen hätte.
    »Das kenn’ ich gar nicht, alter Knabe«, gestand der Pilot Wally. »Dachte, ich hätte sie alle gesehen, aber den Nipponsöhnen ist nicht zu trauen.«
    Die singhalesische Besatzung hatte sich mit Kokosöl eingeschmiert, und sie trugen Sarongs und lange kragenlose Hemden. Zwei von ihnen aßen etwas, und einer kreischte ins Funkgerät; der Pilot sagte in scharfem Ton etwas zu dem Funker, der augenblicklich seine Stimme senkte.
    »Singhala ist eine schreckliche Sprache«, vertraute der Pilot Wally an. »Klingt wie Katzen beim Ficken.«
    Als Wally nicht auf seinen Humor reagierte, fragte der Engländer, ob er schon einmal in Ceylon gewesen sei. Als Wally ihm nicht antwortete – Wally schien mit offenen Augen zu träumen –, sagte der Engländer: »Wir haben nicht nur die ersten Gummibäume gepflanzt und ihre verdammten Gummiplantagen aufgebaut – wir haben ihnen auch beigebracht, Tee zu brauen. Sie wußten, wie man ihn anbaut, das muß man ihnen lassen, aber es war keine anständige Tasse Tee zu kriegen auf dieser ganzen verdammten Insel. Und jetzt wollen die unabhängig werden«, sagte der Engländer.
    »Zweiundneunzig Grad«, sagte Wally lächelnd.
    »Ja, versuche nur, dich zu entspannen«, sagte der Pilot. Wenn Wally rülpste, schmeckte er Zimt; wenn er die Augen schloß, sah er afrikanische Ringelblumen aufgehen wie Sterne.
    Plötzlich fingen die drei Singhalesen gleichzeitig zu sprechen an. Zuerst sagte das Funkgerät etwas, und dann sprachen die drei wie im Chor.
    »Verdammte Buddhisten, sie alle«, erklärte der Pilot. »Sogar im verdammten Funk beten sie. Das ist Ceylon«, sagte der Engländer. »Zwei Drittel Tee und ein Drittel Gummi und Gebet.« Er schrie den Singhalesen etwas zu, und sie senkten ihre Stimmen.
    Irgendwo über dem Indischen Ozean, kurz bevor sie Ceylon sahen, war der Pilot beunruhigt über ein Flugzeug in seiner Nachbarschaft. »Betet jetzt, verdammt noch mal, ihr«, sagte er zu den Singhalesen, die allesamt schliefen. »Dieses japanische B-Moskito«, sagte der Engländer zu Wally. »Wie sieht es aus?« fragte er. »Oder hat es dich von hinten erwischt?«
    Doch alles, was Wally sagen konnte, war: »Zweiundneunzig Grad.«
    Nach dem Krieg sollte Ceylon eine unabhängige Nation werden; vierundzwanzig Jahre später sollte das Land seinen Namen ändern in Sri Lanka. Doch alles, woran Wally sich erinnern sollte, war, wie heiß es gewesen war. In gewisser Weise war sein Fallschirm niemals gelandet. In gewisser Weise war er zehn Monate lang über Birma geblieben – gleichsam schwebend. Alles, was Wally von seiner eigenen Geschichte in Erinnerung behalten sollte, machte nicht viel mehr Sinn als ein Ätherrausch. Und wie er den Krieg überleben sollte – steril, gelähmt, beide Beine schlaff –, das war schon geträumt worden von der dicken Dot Taft. 
     
    Es war vierunddreißig Grad Fahrenheit in St. Cloud’s, als Homer Wells zum Bahnhof ging und dem Bahnhofsvorsteher ein Telegramm an Olive diktierte. Homer hätte sie nicht einfach anrufen und so direkt anlügen können. Und hatte Olive nicht auch ein Telegramm geschickt? Sie mochte ihre Gründe gehabt haben, nicht am Telephon sprechen zu wollen. Mit dem sicheren Gefühl, daß Ray und Olive alles wußten, was Homer und Candy machten, diktierte Homer sein Telegramm an Olive – eine höfliche Förmlichkeit wahrend, schwach wie ein Verdacht. Es war ein Verdacht, der nur auf unhöfliche Weise zu beweisen gewesen wäre, und Homer war höflich.
gott segne dich und wally/stop/
    wann sehen wir ihn/stop/
    candy und ich kehren bald heim/stop/
    habe kleinen jungen adoptiert/stop/
    alles liebe homer 
    »Du bist etwas jung, um jemanden zu adoptieren, nicht wahr?« fragte der

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