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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Bahnhofsvorsteher.
    »Richtig«, sagte Homer.
    Candy telephonierte mit ihrem Vater.
    »Es wird Wochen dauern, vielleicht Monate, bis man ihn transportieren kann«, sagte Ray zu ihr. »Er muß etwas Gewicht zusetzen, bevor er so weit reisen kann, und wahrscheinlich müssen Untersuchungen vorgenommen werden – und es herrscht immer noch Krieg, vergiß das nicht.«
    Candy, an ihrem Ende der Leitung, weinte nur.
    »Sag mir, wie es dir geht, Schatz«, sagte Ray Kendall. Das war der Moment, da sie ihm hätte sagen können, daß sie Homers Baby bekommen hatte.
    Doch was sie schließlich sagte, war: »Homer hat eine der Waisen adoptiert.«
    Nach einer Pause sagte Ray Kendall: »Nur eine?«
    »Er hat einen kleinen Jungen adoptiert«, sagte Candy. »Natürlich werde ich ebenfalls mithelfen. Irgendwie haben wir zusammen ein Baby adoptiert.«
    »Soso«, sagte Ray.
    »Sein Name ist Angel«, sagte Candy.
    »Segen auf sein Haupt«, sagte Ray. »Segen auch für euch beide.«
    Candy weinte noch ein bißchen mehr.
    »Adoptiert, hm?« fragte Ray seine Tochter.
    »Ja«, sagte Candy Kendall. »Einen der Waisenjungen.«
    Sie hörte mit dem Stillen auf, und Schwester Edna machte sie mit dem Gerät zum Abpumpen ihrer Brüste bekannt. Angel mißbilligte seine Bekehrung zur Fläschchenmilch, und ein paar Tage war er sehr reizbar und launisch. Candy war ebenfalls reizbar und launisch.
    Als Homer bemerkte, daß ihr Schamhaar beinah wieder ganz nachgewachsen sein würde, bis sie nach Heart’s Haven zurückkehrten, schnauzte sie ihn an.
    »Um Gottes willen, wer wird schon sehen, ob ich Schamhaare habe oder nicht – außer dir?« fragte Candy.
    Homer zeigte ebenfalls Anzeichen von Belastung.
    Er war ungehalten über Dr. Larchs Vorschlag, daß Homers Zukunft im Arztberuf liegen könne. Larch beharrte weiter darauf, Homer ein nagelneues Exemplar von Grays Anatomie zu schenken; er schenkte ihm auch Greenhills Standardwerk über Gynäkologische Praxis und das britische Meisterwerk Diseases of Women.
    »Herr im Himmel«, sagte Homer Wells. »Ich bin Vater, und ich werde Apfelfarmer werden.«
    »Du hast eine beinah perfekte geburtshilfliche Technik«, sagte Larch zu ihm. »Du brauchst nur noch ein wenig mehr vom Gynäkologischen – und das Pädiatrische natürlich.«
    »Vielleicht ende ich als Hummerfischer«, sagte Homer.
    »Und ich abonniere dich auf das New England Journal of Medicine«, sagte Dr. Larch. »Und auf das JAMA, und das S.G. and O …«
    »Sie sind der Arzt«, sagte Homer Wells erschöpft.
    »Wie fühlst du dich?« fragte Candy Homer.
    »Wie ein Waisenjunge«, sagte Homer. Sie hielten einander fest, aber sie machten nicht Liebe. »Wie fühlst du dich?« fragte Homer.
    »Ich werd’s nicht wissen, bevor ich ihn sehe«, sagte Candy aufrichtig.
    »Was wirst du dann wissen?« fragte Homer.
    »Ob ich ihn liebe, oder dich, oder euch beide«, sagte sie. »Oder ich werde nicht mehr wissen, als was ich jetzt weiß.«
    »Es heißt immer noch ›Kommt Zeit, kommt Rat‹, nicht wahr?« fragte Homer.
    »Du erwartest doch nicht von mir, daß ich ihm etwas erzähle, während er immer noch dort drüben ist, oder?« fragte Candy.
    »Nein, natürlich erwarte ich das nicht«, sagte er sanft. Sie hielt ihn noch fester; sie fing wieder an zu weinen.
    »Oh, Homer«, sagte sie. »Wie kann er bloß nur einhundertundfünf Pfund wiegen?«
    »Ich bin sicher, er wird etwas Gewicht zusetzen«, sagte Homer, aber plötzlich zitterte er am ganzen Körper; Wallys Körper war so stark gewesen. Homer erinnerte sich an das erste Mal, als Wally ihn zum Ozean mitgenommen hatte; die Brandung war ungewöhnlich rauh gewesen. Wally hatte ihn bei der Hand genommen und ihm gezeigt, wie man unter den Wellen hindurchtauchen und wie man auf ihnen reiten kann. Sie waren eine Stunde lang den Strand entlang gewandert, ohne Ablenkung durch Candy; sie hatte sich gebräunt.
    »Ich versteh dieses blöde Herumliegen in der Sonne nicht«, hatte Wally zu Homer gesagt, der beipflichtete. »Entweder man tut etwas in der Sonne und bekommt ein wenig Farbe, oder man tut etwas anderes – aber man tut etwas. Das ist die Hauptsache.«
    Sie sammelten Muscheln und Steine – die Beschäftigung so vieler Spaziergänger auf der Suche nach ganz besonderen Exemplaren. Homer war augenblicklich beeindruckt von der Glätte der Steine und der zerbrochenen Muschelstücke – wie hatten das Wasser und der Sand sie doch poliert.
    »Dies ist ein Stück mit sehr viel Erfahrung«, hatte Wally gesagt und Homer ein

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