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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Hauptmann Worthington, der – vor etwa zehn Monaten – sein Flugzeug über Birma sich selbst überlassen hatte, würde die Klärung mancher solcher Details Jahre dauern.
    Es regnete so stark, als er absprang, daß es Wally schien, als müsse der Fallschirm den Regen wegschieben, um sich zu öffnen. Aber das Dröhnen des Flugzeugs war so nah, daß Wally fürchtete, die Leine zu früh zu reißen. Er fürchtete auch den Bambus – er hatte Geschichten gehört von Fliegern, die von ihm gepfählt worden waren –, doch er verfehlte den Bambus, landete in einem Teakbaum und renkte sich die Schulter an einem Ast aus. Sein Kopf mochte gegen den Stamm geschlagen sein, oder aber der Schmerz in seiner Schulter bewirkte, daß er das Bewußtsein verlor. Es war dunkel, als er erwachte, und weil er nicht sehen konnte, wie tief unten der Boden war, wagte er es erst am Morgen, sich von den Fallschirmleinen zu befreien. Dann verabreichte er sich zuviel Morphium – für seine Schulter – und verlor die Spritze in der Dunkelheit.
    In der Eile hatte er vor dem Abspringen keine Zeit gehabt, eine Machete ausfindig zu machen; am Morgen brauchte er – mit nur einem einsatzfähigen Arm und unter Zuhilfenahme des Bajonetts aus der Stiefelscheide – eine ganze Weile, die Fallschirmleinen durchzuschneiden. Als er sich auf den Boden herabließ, blieb seine Hundemarke an einer Liane hängen. Wegen seiner verletzten Schulter konnte er weder sein ganzes Gewicht mit einem Arm stützen, noch die Erkennungsmarke befreien, und so verlor er sie.
    Die Kette schnitt ihm in den Nacken, als die Marke sich löste, und er landete auf einem alten Teakholzstamm, der unter den Farnen und unter den toten Palmwedeln verborgen war. Der Stamm rollte, und Wally verstauchte sich den Knöchel. Als ihm klar wurde, daß er bei dem Monsunwetter niemals Ost und West würde unterscheiden können, fiel ihm plötzlich auf, daß sein Kompaß verschwunden war. Er streute sich Sulfonamidpuder auf seinen zerschnittenen Nacken.
    Wally hatte keine Ahnung, wo China war; er suchte sich einen Weg, kroch hindurch, wo immer es am wenigsten dicht war. Auf diese Weise hatte er nach drei Tagen den Eindruck, daß der Dschungel entweder lichter wurde oder daß er besser wurde darin, seinen Weg dahindurch zu suchen. China lag östlich von Wally, aber Wally ging nach Süden; China lag oben – jenseits der Berge –, aber Wally suchte die Täler. Wo Wally war, verliefen die Täler südwestlich. In einer Hinsicht hatte er recht: der Dschungel lichtete sich. Es wurde auch wärmer. Jede Nacht kletterte er auf einen Baum und schlief in einer Astgabel. Die großen gewundenen Stämme des Baobaumes – knorrig wie riesige hölzerne Kabel – boten die besten Astgabeln zum Schlafen, aber Wally war nicht das erste Lebewesen, das dies herausgefunden hatte. Eines Nachts, auf Augenhöhe in der Astgabel eines Baobaumes neben ihm, untersuchte ein Leopard sich auf Zecken. Wally folgte dem Beispiel des Leoparden und entdeckte einige. Er gab es auf, die Blutegel entfernen zu wollen.
    Eines Tages sah er eine Python – eine kleine, etwa fünfzehn Fuß lang. Sie lag auf einem Stein und verschlang etwas, annähernd von der Größe und Gestalt eines Jagdhundes. Wally schätzte, daß es ein Affe war, auch wenn er sich nicht erinnern konnte, Affen gesehen zu haben. Er hatte natürlich Affen gesehen, aber er hatte sie vergessen; er hatte Fieber. Er versuchte seine Temperatur zu messen, aber das Thermometer in seinem Erste-Hilfe-Beutel war zerbrochen.
    An dem Tag, da er einen Tiger durch einen Fluß schwimmen sah, bemerkte er die Moskitos; das Klima änderte sich. Der Fluß mit dem Tiger darin hatte ein weites Tal geschaffen; auch der Wald wurde anders.
    Wally fing einen Fisch mit bloßen Händen und aß dessen Leber roh; er kochte Frösche, groß wie Katzen, aber ihre Schenkel waren fischiger als die Froschschenkel, an die er sich erinnerte. Vielleicht lag es am fehlenden Knoblauch.
    Er aß etwas, das von der Konsistenz einer Mango war und überhaupt keinen Geschmack hatte; die Frucht hinterließ einen moderigen Nachgeschmack, und einen ganzen Tag lang übergab er sich und hatte Fieberschauer. Dann verwandelte sich der Fluß, in dem er den Tiger gesehen hatte, in einen größeren Fluß; die Monsunwasser hatten eine mächtige Strömung; Wally fühlte sich ermutigt, ein Floß zu bauen. Er erinnerte sich an die Flöße, die er zum Befahren des Drinkwater Lake konstruiert hatte, und er heulte, als er feststellte,

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