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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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springende Punkt, hatte Wally gesagt.
    »Na, ich hoffe, der springende Punkt ist nicht, daß sie farbig ist«, hatte Candy gesagt.
    »Der springende Punkt ist Mister Rose«, hatte Wally gesagt. Das Wort »Richtig!« war beinah sichtbar gewesen auf Homers Lippen. Die Männer wollen immer alles im Griff haben, dachte Candy.
    Homer Wells war im Apfelmarktbüro. In der Post war ein Brief für ihn von Dr. Larch, aber Homer sah die Post nicht durch. Das war Wallys Arbeit; außerdem war die Pflückermannschaft eingetroffen. Die Ernte sollte beginnen, sobald Homer die letzten Vorbereitungen getroffen hatte. Er blickte aus dem Bürofenster und sah seinen Sohn, ohne Hemd und im Gespräch mit der dicken Dot Taft. Er stieß die Fliegengittertür auf und rief Angel zu: »He, es ist kühl heute morgen – zieh ein Hemd an!« Angel marschierte bereits zu den Schuppen hinter dem Apfelmarkt.
    »Ich muß den Traktor aufwärmen«, sagte er zu seinem Vater.
    »Wärm lieber erst dich selber auf!« sagte Homer zu ihm, aber dem Jungen war schon recht warm an diesem Morgen.
    Edith? fragte sich Angel. Ernestine? Esmeralda? Eve! dachte er.
    Er stieß gegen Vernon Lynch, der ihn über eine Tasse heißen Kaffee hinweg finster anfunkelte.
    »Paß auf, wo du hintrittst«, sagte Vernon zu Angel.
    »Faith!« sagte Angel zu ihm. »Felicia! Francesca! Frederica!«
    »Arschloch«, sagte Vernon Lynch.
    »Nein, das bist du«, sagte die dicke Dot Taft zu ihm. »Das Arschloch bist du, Vernon.«
    »Gott, ich liebe die Ernte!« sagte Wally, der um den Küchentisch kurvte, während Candy das Geschirr abwusch. »Es ist meine Lieblingszeit.«
    »Meine auch«, sagte Candy lächelnd. Und sie dachte dabei: Ich habe noch sechs Wochen zu leben.
    Black Pan, der Koch, war wieder da. Candy mußte sich beeilen – sie mußte Black Pan zum Einkaufen fahren. Ein Mann namens Peaches hatte früher schon einmal gepflückt für sie, aber das lag Jahre zurück; er wurde Peaches genannt, weil sein Kinn mangels Bartwuchs immer glatt wie ein Pfirsich war. Auch ein Mann namens Muddy war wieder da; seit Jahren hatte niemand Muddy gesehen. Er war eines Nachts im Ciderhaus schlimm mit dem Messer zugerichtet worden, und Homer hatte ihn zum Spital von Cape Kenneth gefahren. Muddy hatte mit einhundertdreiundzwanzig Stichen genäht werden müssen; Homer Wells fand, er sah aus wie eine Art Experimentierwürstchen.
    Der Mann, der ihn so zugerichtet hatte, war seit langem verschwunden. Das war eine von Mr. Roses Spielregeln. Homer hielt sie für die vielleicht wichtigste Regel im Ciderhaus: einander nicht zu verwunden. Man konnte einem andern eine Schnittwunde zufügen, um ihn zu erschrecken, um ihm zu zeigen, wer hier der Boss war, aber nie so, daß er ins Krankenhaus mußte. Dann kommt das Gesetz, und alle im Ciderhaus müssen sich kleinmachen. Der Mann, der Muddy geschnitten hatte, hatte nicht an die Gemeinschaft gedacht.
    »Er hat wirklich versucht, mir den Arsch abzuschneiden, Mann«, hatte Muddy gesagt, als sei er erstaunt.
    »Er war ein Stümper«, hatte Mr. Rose gesagt. »Außerdem ist er längst verschwunden.«
    Der Rest der Mannschaft, außer Mr. Roses Tochter, war noch nie in Ocean View gewesen. Mr. Rose vereinbarte mit Angel, wie Rose Rose und ihre Tochter den Tag verbringen sollten.
    »Sie kann herumfahren mit dir und dir helfen«, sagte Mr. Rose zu Angel. »Sie kann auf der Stoßstange sitzen oder hinter dem Fahrersitz stehen. Sie kann auf dem Anhänger mitfahren, solang er nicht voll ist.«
    »Klar!« sagte Angel.
    »Wenn sie das Baby zum Ciderhaus zurückbringen will, soll sie laufen«, sagte Mr. Rose. »Sie braucht keine Vorzugsbehandlung.«
    »Nein«, sagte Angel; es überraschte ihn, daß Mr. Rose so über seine Tochter sprach, während sie neben ihm stand und etwas verlegen wirkte. Baby-Rose saß mit dem Schnuller im Mund auf ihrer Hüfte.
    »Manchmal kann Black Pan sich um das Baby kümmern«, sagte Mr. Rose, und Rose Rose nickte.
    »Candy sagte, sie würde sich ebenfalls um die Kleine kümmern«, brachte Angel vor.
    »Unnötig, Missus Worthington zu bemühen«, sagte Mr. Rose, und Rose Rose schüttelte den Kopf.
    Angel fuhr den Traktor immer im Stehen; wenn er sich setzte, ohne ein Kissen auf dem Sitz (und in seinen Augen waren Kissen etwas für alte Männer mit Hämorrhoiden), konnte er kaum über die Kühlerhaube sehen. Er fürchtete, wenn er sich setzte, könnte der Motor sich überhitzen, und der Kühler würde überkochen, ohne daß er es merkte. Vor allem aber

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