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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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sah es besser aus, einen Traktor im Stehen zu fahren.
    Er war froh, daß er den International Harvester fuhr; vor Jahren hatte Raymond Kendall eine Drehstütze für den Sitz gebaut. Er konnte Rose Rose sitzen lassen – mit oder ohne Baby auf dem Schoß –, und er konnte ein Stückchen neben dem Drehsitz stehen und ungehindert den Traktor mit Fußkupplung, Fußbremse und Handgas bedienen. Die Notbremse war neben Rose Roses Hüfte, der Schalthebel neben ihrem Knie.
    »Warum trägst du diese alte Baseballkappe?« fragte sie ihn. »Du hast nette Augen, aber niemand sieht sie. Du hast schönes Haar, aber niemand sieht es. Und du hast eine bleiche Stirn, weil die Sonne dein Gesicht nicht finden kann. Wenn du diese blöde Kappe nicht tragen würdest, wäre dein Gesicht so braun wie dein Körper.«
    Für Angel hieß das natürlich, daß Rose Rose seinen Körper schön braun fand, daß es ihr nicht gefiel, wie bleich seine Stirn war, und daß es ihr – trotz der Kappe – gelungen war, von seinen Augen und seinem Haar Notiz zu nehmen (und sie schön zu finden natürlich).
    Nachdem er den Anhänger mit seiner ersten Ladung Äpfel gefüllt hatte, trank Angel im Obstgarten einen großen Schluck aus einem Wasserkrug. Er drehte die Baseballkappe auf seinem Kopf nach hinten, während er trank. Jetzt trug er sie so, wie ein Fänger beim Spiel eine Baseballkappe trägt – oder wie Candy sie trug, mit dem Schirm über Haar und Nacken gestülpt. Irgendwie sah das an Candy besser aus. Als Rose Rose Angel mit seiner Kappe verkehrt herum auf dem Kopf sah, sagte sie: »Jetzt siehst du wirklich blöde aus, als hättest du einen Ball auf dem Kopf.«
    Am nächsten Tag ließ Angel Candy die Kappe tragen.
    Baby-Rose saugte an ihrem Schnuller wie eine Drei-PS-Pumpe, und Rose Rose lächelte Angel an. »Wo ist deine hübsche Kappe?« fragte sie ihn.

    »Ich hab sie verloren«, log er.
    »Wie schade«, sagte sie. »Sie war nett.«
    »Ich dachte, sie gefiel dir nicht«, sagte er.
    »Sie gefiel mir nicht an dir«, sagte Rose Rose.
    Am nächsten Tag brachte er die Kappe mit und setzte sie ihr auf den Kopf, kaum daß sie sich auf dem Traktorsitz niedergelassen hatte. Rose Rose schien ungeheuer erfreut; sie trug die Kappe auf dieselbe Art, wie Angel sie getragen hatte – tief über ihren Augen. Baby-Rose lugte schielend nach dem Schirm.
    »Du hast sie verloren, und dann hast du sie wiedergefunden, hm?« fragte Rose Rose.
    »Richtig«, sagte Angel.
    »Sei lieber vorsichtig«, sagte sie zu ihm. »Du wirst dich doch nicht einlassen wollen mit mir.«
    Aber Angel fühlte sich geschmeichelt und ermutigt, daß sie sein Interesse sogar bemerkt hatte – vor allem weil er unsicher war, wie er sein Interesse zeigen sollte.
    »Wie alt bist du?« fragte er später am Tag beiläufig.
    »Ungefähr in deinem Alter, Angel«, war alles, was sie sagte. Baby-Rose war an ihre Brust gesunken; eine weichkrempige weiße Matrosenmütze schützte das Baby vor der Sonne, doch unter der Krempe wirkte das kleine Mädchen glasäugig und erschöpft vom andauernden Herumkauen auf dem Schnuller. »Ich kann gar nicht glauben, daß du immer noch zahnst«, sagte Rose Rose zu ihrer Tochter. Sie griff nach dem himmelblauen Plastikring und zog dem kleinen Mädchen den Schnuller aus dem Mund; es machte Plopp wie bei einem Weinflaschenkorken, was Baby-Rose erschreckte. »Du wirst noch süchtig«, sagte Rose Rose, aber als Baby-Rose zu schreien anfing, steckte die Mutter den Sauger wieder hinein.
    »Wie gefällt dir der Name Gabriella?« fragte Angel Rose Rose.
    »Ich hab ihn noch nie gehört«, sagte sie.
    »Wie wär’s mit Ginger?« fragte Angel.
    »Das ist doch etwas zum Essen«, sagte Rose Rose.
    »Gloria?« fragte Angel.
    »Das ist hübsch«, sagte Rose Rose. »Für wen?«
    »Dein Baby!« sagte Angel. »Ich denke mir Namen aus für dein Baby.« Rose Rose schob den Schirm der Boston-Red-Sox-Kappe hoch und sah Angel in die Augen.
    »Warum denkst du dir so etwas aus?« fragte sie ihn.
    »Nur, um behilflich zu sein«, sagte er linkisch. »Nur, um dir zu helfen, dich zu entscheiden.«
    »Entscheiden?« fragte Rose Rose.
    »Um dir zu helfen, dich zu besinnen.«
    Der Pflücker namens Peaches war beinah so schnell wie Mr. Rose. Er leerte seinen Stoffsack in eine Bushelkiste und unterbrach Rose Rose und Angel.
    »Zählst du mich, Angel?« fragte Peaches.
    »Ja sicher, ich hab dich schon«, sagte Angel. Manchmal prüfte Angel das Obst, wenn er die Pflücker nicht gut kannte – um sich zu

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