Gottes Werk und Teufels Beitrag
Larch«, sagte Homer leise. »Doktor Larch hat eine Familie gefunden. Gute Nacht, Doktor Larch.« Er versuchte sich vorzustellen, wer von ihnen es gesagt haben mochte. Er meinte, daß es Schwester Angela gewesen sei, und darum schickte er den Brief an sie.
Nun, da Dr. Larch gestorben war, war Mrs. Goodhall weniger entzückt bei dem Gedanken, den alten nichtpraktizierenden Homosexuellen abzulösen. Wohl aber war die Vorstellung erregend, ihn durch diesen jungen Missionar zu ersetzen, der sich so standhaft gegen ihn aufgelehnt hatte. Dr. Gingrich sah eine schwache Gerechtigkeit am Horizont aufschimmern bei dem Gedanken, Dr. Larch durch jemand zu ersetzen, der den Alten eindeutig in den Wahnsinn getrieben hatte. Doch Dr. Gingrich war weniger daran interessiert, wie die Sache für St. Cloud’s ausging, als vielmehr fasziniert von seiner geheimen Studie über Mrs. Goodhalls Geist, in dem er eine ausgesprochen komplizierte Mischung aus selbstgerechtem Wahn und inspiriertem Haß erkannte.
Natürlich waren Dr. Gingrich und die anderen Ausschußmitglieder begierig, den jungen Dr. Stone kennenzulernen, aber Dr. Gingrich war besonders begierig, Mrs. Goodhall bei so einer Begegnung zu beobachten. Mrs. Goodhall hatte einen Tic entwickelt – wann immer jemand ihr ein ungewöhnliches Vergnügen oder Mißvergnügen bereitete, verkrampfte sich ihre rechte Gesichtshälfte unwillkürlich. Dr. Gingrich malte sich aus, wie Mrs. Goodhall bei der Begegnung mit dem Missionsdoktor in eine Phase beinah ununterbrochener Spasmen geraten würde, und er konnte den Anblick kaum erwarten.
»Sie müssen den Ausschuß hinhalten«, schrieb Homer an Schwester Angela. »Sagen Sie ihnen, daß Ihre Bemühungen, Doktor Stone zu erreichen, dadurch erschwert worden sind, daß der Doktor zwischen zwei Missionskrankenhäusern in Indien hin und her pendelt. Sagen Sie, das eine ist in Assam, das andere in New Delhi. Sagen Sie, daß es eine Woche oder länger dauern wird, bis Sie wieder Verbindung mit ihm aufnehmen können, und daß er – falls er bereit ist, den Posten in St. Cloud’s in Erwägung zu ziehen – sich unmöglich vor November frei machen kann.«
Dies, so hoffte Homer Wells, würde ihm Zeit lassen, Angel alles zu erzählen und die Ernte zu Ende zu bringen.
»Sie werden den Ausschuß überzeugen müssen, daß Sie nicht nur gute Krankenschwestern sind, sondern auch qualifizierte Hebammen, und daß sie in der Lage sind, den Patientinnen anzumerken, ob sie an einen Arzt überwiesen werden müssen«, schrieb Homer an Schwester Angela. »Sie müssen mir verzeihen, daß ich so viel Zeit brauche, aber vielleicht erscheine ich sogar glaubwürdiger für den Treuhänderausschuß, wenn alle auf mich warten müssen. Es braucht Zeit, Asien zu verlassen.«
Er bat auch darum, ihm die Geschichte Fuzzy Stones, soweit vorhanden, zu übersenden und ihm alles zu berichten, was Larch ausgelassen haben könnte – wobei Homer sich nicht vorstellen konnte, daß Larch irgend etwas übergangen haben sollte. Dann teilte Homer Schwester Angela so kurz und bündig wie möglich mit, daß er Larch geliebt habe »wie einen Vater« und daß sie »von Melony nichts zu befürchten« hätten.
Der arme Bob, der ihr Nase und Arm gebrochen hatte, hatte allerdings einiges zu befürchten von Melony, aber Bob war nicht klug genug, sich vor ihr zu fürchten. Als ihr der Gips vom Arm genommen worden und als auch ihre Nase wieder mehr oder minder verheilt war, sollten Melony und Lorna durch die altvertrauten Kneipen streifen – die Pizza-Bar in Bath unter anderen –, und Bob sollte den nicht sonderlich reizvollen Instinkt beweisen, sie abermals zu belästigen. Melony sollte ihn mit ihrem schüchternen Lächeln entwaffnen, ebenjenem, das ihm demütig ihre schlechten Zähne zeigte – und während Bob seine tölpelhafte Aufmerksamkeit Lorna zuwandte, knipste Melony ihm mit ihrer Drahtschere (dem üblichen und bewährten Werkzeug aller Elektriker) das halbe Ohr ab. Dann brach Melony Bob mehrere Rippen und die Nase und schlug ihn mit einem Stuhl bewußtlos. Sie hatte das Herz am rechten Fleck, was St. Cloud’s betraf, aber Melony war ein Mädchen, das Auge um Auge Vergeltung übte, wie du mir, so ich dir.
»Mein Held«, nannte Lorna sie. Es war ein rührendes Wort in bezug auf Melony, die lange geglaubt hatte, daß Homer das Zeug zum Helden hätte.
Homer war ein Held in Rose Roses Augen; sie blieb den ganzen Montag in Angels Zimmer im Bett, während Candy ihr von Zeit zu Zeit ihr
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