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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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wird alles gut werden«, sagte Candy zu dem Mädchen, bevor sie hineingingen. Durch die Fenster sahen sie Wally im Haus hin und her fliegen.
    »Ich kenne meinen Vater, Missus Worthington«, flüsterte Rose Rose. »Er wird mich zurückhaben wollen.«
    »Er kann dich nicht haben«, sagte Candy. »Er kann dich nicht zwingen, zu ihm zurückzugehen.«
    »Er macht seine eigenen Regeln«, sagte Rose Rose.
    »Und der Vater deiner schönen Tochter?« fragte Candy und hielt für Rose Rose und ihr kleines Mädchen die Tür auf. »Wo ist er?«
    »Mein Vater hat ihn geschnitten. Er ist längst verschwunden«, sagte Rose Rose. »Er will nichts mehr zu tun haben mit mir.«
    »Und deine Mutter?« fragte Candy, als sie ins Haus gingen.
    »Ist tot«, sagte Rose Rose.
    Da erzählte Wally Candy, daß auch Dr. Larch tot sei. Sie hätte es Homer nicht angemerkt, der gleich zur Sache kam; eine Waise lernt, sich zurückzuhalten, die Dinge für sich zu behalten.
    »Bist du okay?« fragte Candy Homer, während Wally mit Baby-Rose im Erdgeschoß herumtollte und Angel Rose Rose in sein Zimmer führte, das für sie vorbereitet worden war.
    »Ich bin ein wenig nervös«, gestand Homer Candy. »Es ist gewiß keine Frage der Technik, und ich habe alles, was ich brauche – ich weiß, ich kann es. Es ist nur, daß es für mich eben ein lebendiges Menschenwesen ist. Ich kann dir nicht beschreiben, wie es sich anfühlt – nur schon die Kürette zu halten, zum Beispiel. Wenn lebendes Gewebe berührt wird, reagiert es – irgendwie«, sagte Homer, aber Candy fiel ihm ins Wort.
    »Vielleicht hilft es dir, zu wissen, wer der Vater ist«, sagte sie. »Es ist Mister Rose. Ihr Vater ist der Vater – falls es das leichter macht.«
    Das frisch bezogene Bett in Angels Kinderzimmer und die schimmernden Instrumente – die so ordentlich ausgelegt waren auf dem benachbarten Bett – machten Rose Rose gesprächig und starr zugleich.
    »Das scheint kein Spaß zu werden«, sagte das Mädchen und drückte die Fäuste in ihren Schoß. »Das andere hat man oben herausgeholt – nicht auf die Art, wie es herauskommen sollte«, erklärte Rose Rose. Homer Wells sah, daß sie einen Kaiserschnitt gehabt hatte, wohl wegen ihres damaligen Alters und ihrer damaligen Körpergröße. Aber Homer konnte sie nicht ganz überzeugen, daß diesmal alles leichter sein würde. Er würde nichts »oben herausholen« müssen.
    »Los, du bleibst bei Wally, Angel«, sagte Candy zu dem Jungen. »Los, fahrt Baby-Rose im Rollstuhl spazieren. Fahrt alle Möbel über den Haufen, wenn ihr wollt«, sagte sie und gab ihrem Sohn einen Kuß.
    »Ja, geh du fort«, sagte Rose Rose zu Angel.
    »Hab keine Angst«, sagte Candy zu Rose Rose. »Homer weiß, was er tut. Du bist in guten Händen.« Sie betupfte Rose Rose mit dem roten Merthiolat, während Homer Rose Rose, eins nach dem andern, die Instrumente zeigte.
    »Dies ist ein Spekulum«, sagte er zu ihr. »Es fühlt sich vielleicht kalt an, aber es tut nicht weh. Du wirst nichts davon spüren«, versicherte er ihr. »Das hier sind Dilatatoren«, sagte Homer, aber Rose Rose schloß die Augen.
    »Sie haben das schon mal gemacht, nicht wahr?« fragte Rose Rose ihn. Er hatte den Äther bereit.
    »Atme einfach normal«, sagte er zu ihr. Beim ersten Hauch öffnete sie die Augen und wandte ihr Gesicht von der Maske ab, doch Candy legte ihre Hände an Rose Roses Schläfen und zog ihren Kopf ganz sachte in die richtige Lage. »Anfangs ist der Geruch am schärfsten«, sagte Homer Wells.
    »Bitte, haben Sie das schon mal gemacht?« fragte ihn Rose Rose. Ihre Stimme klang gedämpft unter der Maske.
    »Ich bin ein guter Arzt – bin ich wirklich«, sagte Homer Wells zu ihr. »Entspanne dich nur, und atme normal.«
    »Hab keine Angst«, hörte Rose Rose Candy zu ihr sagen, kurz bevor der Äther sie aus ihrem Körper zu tragen begann.
    »Ich kann fahren darauf«, sagte sie. Rose Rose meinte das Fahrrad. Homer sah sie mit den Zehen wackeln. Rose Rose fühlte zum erstenmal Sand unter ihren Füßen. Die Flut rollte heran; sie spürte Wasser um ihre Knöchel. »Keine große Sache«, murmelte sie. Rose Rose meinte das Meer.
    Homer Wells, der das Spekulum einstellte, bis er einen einwandfreien Blick auf die Cervix hatte, führte den ersten Dilatator ein, bis der Muttermund sich öffnete wie ein Auge, das seinen Blick erwiderte. Die Cervix wirkte geschmeidig und leicht vergrößert, aber sie schwamm in einem gesunden, klaren Schleim und war von einem atemberaubenden Rosa,

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