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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Baby brachte und Angel sie besuchte, wann immer er Gelegenheit dazu fand.
    »Du wirst dieses Zimmer lieben«, sagte Angel zu ihr.
    »Du bist völlig verrückt«, sagte Rose Rose zu ihm. »Aber ich liebe es jetzt schon.«
    Es war ein Tag, an dem die Ernte nicht vorankam; Mr. Rose sollte nicht pflücken, und die Hälfte der Männer hatten blaue Flecken, weil sie vom Fahrrad gestürzt waren. Homer Wells, der die Schreckensmaschine niemals meistern sollte, hatte ein geschwollenes Knie und eine Beule zwischen den Schulterblättern – von der Größe einer Melone. Peaches weigerte sich, eine Leiter hinaufzusteigen; er sollte den ganzen Tag lang die Anhänger beladen und Fallobst aufsammeln. Muddy stöhnte und klagte; er war der einzige von ihnen, der tatsächlich fahren gelernt hatte. Black Pan verkündete, daß es ein guter Tag sei, um zu fasten.
    Mr. Rose, so schien es, fastete. Er saß draußen vor dem Ciderhaus in der schwachen Sonne, eingehüllt in eine Dekke von seinem Bett; er saß im Indianersitz und sprach mit niemandem.
    »Er sagt, er ist im Pflückstreik«, flüsterte Peaches Muddy zu, der Homer erzählte, er glaube, daß Mr. Rose auch im Hungerstreik sei – »und in jedem anderen Streik, den es gibt«.
    »Wir müssen uns einfach ohne ihn behelfen«, sagte Homer zu den Männern, aber alle schlichen auf Katzenpfoten an Mr. Rose vorbei, der sich vor dem Ciderhaus auf den Thron gesetzt zu haben schien.
    »Oder er hat Wurzeln geschlagen wie ein Baum«, sagte Peaches.
    Black Pan brachte ihm einen Becher Kaffee und frisches Maisbrot, aber Mr. Rose rührte nichts davon an. Manchmal schien er auf einem der Schnuller zu kauen. Es war ein kühler Tag, und wenn die Sonne hinter die Wolken entschwebte, zog Mr. Rose sich die Decke über den Kopf; dann saß er in Kutte und Kapuze und völlig in sich gekehrt da.
    »Er ist wie ein Indianer«, sagte Peaches. »Er verhandelt nicht.«
    »Er will seine Tochter sehen«, belehrte Muddy Homer am Ende des Tages. »Das hat er mir gesagt – und sonst nichts. Nur sie sehen. Er sagt, er will sie nicht anfassen.«
    »Sag ihm, er kann ins Haus kommen und sie dort sehen«, sagte Homer Wells zu Muddy.
    Doch zur Abendbrotzeit kam Muddy allein an die Küchentür. Candy bat ihn herein und lud ihn zum Essen ein – Rose Rose saß mit ihnen am Tisch – aber Muddy war zu nervös, um zu bleiben. »Er sagt, er will nicht hierherkommen«, sagte Muddy zu Homer. »Er sagt, sie soll zum Ciderhaus kommen. Er sagt, ich soll dir sagen, sie haben ihre eigenen Regeln. Er sagt, du hast die Regeln gebrochen, Homer.«
    Rose Rose saß so mucksmäuschenstill am Tisch, daß sie nicht einmal kaute; sie wollte sicher sein, daß sie ja alles hörte, was Muddy sagte. Angel versuchte ihre Hand zu fassen, die kalt war, aber sie entzog sie ihm und hielt ihre beiden Hände, mit einer Serviette umwickelt, auf ihrem Schoß.
    »Muddy«, sagte Wally, »du sagst ihm, daß Rose Rose in meinem Haus bleibt und daß wir in meinem Haus meinen Regeln gehorchen. Du sagst ihm, er ist hier willkommen, jederzeit.«
    »Er wird’s nicht tun«, sagte Muddy.
    »Ich muß hingehen und ihn sehen«, sagte Rose Rose.
    »Nein, das mußt du nicht«, sagte Candy zu ihr. »Sag ihm, er kann sie hier sehen oder nirgendwo, Muddy«, sagte Candy.
    »Ja, Ma’am. – Ich hab die Fahrräder mitgebracht«, sagte Muddy zu Angel. »Sind ein bißchen verbeult.« Angel ging hinaus, um sich die Fahrräder anzusehen, und in dem Moment gab Muddy ihm das Messer.
    »Du brauchst das nicht, Angel«, sagte Muddy zu dem Jungen, »aber gib es Rose Rose. Sag ihr, ich will, daß sie es hat. Nur damit sie eins hat.«
    Angel betrachtete eingehend Muddys Messer; es war ein Klappmesser mit Horngriff, ein Teil von dem Horn war abgesplittert. Es war eines dieser Klappmesser, bei denen die Klinge einrastet, wenn man es öffnet, so daß es nicht unversehens über den Fingern zuschnappen kann. Die Klinge war fast sechs Zoll lang, was sie auffällig sichtbar machte in jeder Tasche, und im Laufe der Jahre hatte sie oft den Wetzstein gesehen. Die Klinge war sehr dünn geschliffen, und die Schneide war sehr scharf.
    »Brauchst du es nicht, Muddy?« fragte Angel ihn.
    »Hab nie gewußt, was ich anfangen soll damit«, gestand Muddy. »Ich bekomme nur Ärger damit.«
    »Ich werd’s ihr geben«, sagte Angel.
    »Sag ihr, ihr Vater sagt, er liebt sie und er will sie nur sehen«, sagte Muddy. »Nur sehen«, wiederholte er.
    Angel dachte über die Botschaft nach; dann sagte er: »Ich liebe

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