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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Rose Rose, weißt du, Muddy.«
    »Klar, weiß ich«, sagte Muddy. »Ich liebe sie auch. Wir alle lieben sie. Alle lieben Rose Rose – das ist ja das Problem bei ihr.«
    »Wenn Mister Rose sie nur sehen will«, sagte Angel, »warum gibst du ihr dann dein Messer?«
    »Nur damit sie eins hat«, wiederholte Muddy.
    Angel gab ihr das Messer, als sie nach dem Abendessen in seinem Zimmer saßen.
    »Es ist von Muddy«, erzählte er ihr.
    »Ich weiß, von wem es ist«, sagte Rose Rose. »Ich weiß, was für Messer die Männer haben – ich weiß, wie jedes einzelne aussieht.« Obwohl es kein Springmesser war, zuckte Angel zusammen, als er sah, wie sie das Messer mit nur einer Hand öffnete. »Schau, was Muddy gemacht hat«, sagte sie lachend. »Er hat es zu Tode gewetzt – er hat es halb abgeschliffen.« Sie schloß das Messer an ihrer Hüfte; ihre schmalen Finger wirbelten das Messer so schnell herum, daß Angel nicht merkte, wo sie es hinsteckte.
    »Kannst du gut mit Messern umgehen?« fragte Angel sie.
    »Das hab ich von meinem Vater«, sagte sie. »Er hat mir alles gezeigt.«
    Angel kam und setzte sich neben sie aufs Bett, doch Rose Rose betrachtete ihn gleichgültig. »Ich habe dir gesagt«, fing sie geduldig an, »du wirst nichts zu tun haben wollen mit mir – ich könnte dir niemals etwas erzählen von mir. Du wirst nichts wissen wollen von mir, glaube mir.«
    »Aber ich liebe dich«, flehte Angel sie an.
    Nachdem sie ihn geküßt und ihm erlaubt hatte, ihre Brüste anzufassen, sagte sie: »Angel. Jemand zu lieben bedeutet nicht immer alles.«
    Dann wachte Baby-Rose auf, und Rose Rose mußte sich um ihre Tochter kümmern. »Weißt du, wie ich sie nennen werde?« fragte sie Angel. »Candy«, sagte Rose Rose. »Das ist sie, sie ist eine Candy.«
    Am anderen Morgen standen unten im Tal alle früh auf, aber niemand stand früher auf als Rose Rose. Angel, der mehr oder minder geglaubt hatte, er habe das Haus die ganze Nacht bewacht, merkte, daß Rose Rose und ihre Tochter verschwunden waren. Angel und Homer stiegen in den Jeep und fuhren vor dem Frühstück hinaus zum Ciderhaus – aber wohin auch immer sie an diesem Morgen fuhren, Rose Rose war schon vor ihnen da gewesen. Die Männer waren auf den Beinen und wirkten unruhig. Mr. Rose hatte im Gras vor dem Ciderhaus bereits seine stoische Sitzhaltung eingenommen – die Decke vollständig über sich gebreitet, bis auf das Gesicht.
    »Ihr kommt zu spät«, sagte Mr. Rose zu ihnen. »Sie ist längst verschwunden.«
    Angel lief im Ciderhaus nachsehen, aber da war keine Spur von Rose Rose oder ihrer Tochter.
    »Sie wollte mit dem Daumen fahren«, sagte Mr. Rose zu Homer und Angel. Er machte das Anhalterzeichen, wobei seine nackte Hand nur für eine Sekunde unter der Decke hervorkam, bevor sie in ihr Versteck zurückfuhr.
    »Ich habe ihr nicht weh getan«, fuhr Mr. Rose fort. »Ich hab sie nicht angerührt, Homer«, sagte er. »Ich liebe sie einfach, das war alles. Ich will sie nur sehen – nur noch ein einziges Mal.«
    »Sie bemühen sich umsonst«, sagte Homer Wells zu dem Mann, aber Angel war schon davongelaufen, um Muddy zu suchen.
    »Sie sagt, ich soll dir sagen, du warst der Netteste«, sagte Muddy zu dem Jungen. »Sie sagt, ich soll dir sagen, dein Daddy, er ist ein Held, und du warst der Netteste.«
    »Hat sie nicht gesagt, wohin sie geht?«
    »Sie weiß es nicht, Angel«, sagte Muddy zu ihm. »Sie weiß nur, sie muß gehen.«
    »Aber sie hätte bei uns bleiben können«, sagte Angel. »Bei mir«, fügte er hinzu.
    »Ich weiß, sie hat darüber nachgedacht«, sagte Muddy. »Sie hat es sich überlegt. Überlege du es dir lieber auch.«
    »Ich habe es mir überlegt – ich überlege es mir die ganze Zeit«, sagte Angel wütend.
    »Ich glaube, du bist nicht alt genug, es dir zu überlegen, Angel«, sagte Muddy sanft.
    »Ich habe sie geliebt!« sagte der Junge.
    »Sie weiß das«, sagte Muddy. »Sie weiß sogar schon, wer sie ist, aber sie weiß auch, daß du noch nicht weißt, wer du bist.«
    Dies sollte Angel, während sie nach ihr suchten und er über sie nachdachte, allmählich einsehen. Er und Candy fuhren eine Stunde lang auf der Küstenstraße nach Süden und zwei Stunden lang nach Norden. Sie wußten, daß sogar Rose Rose sich gut genug in Maine auskannte, um nicht ins Hinterland zu fahren. Und sie wußten, daß eine schwarze junge Frau mit einem Baby auf dem Arm ziemlich exotisch aussehen mochte unter den Anhaltern von Maine. Sie würde gewiß weniger

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