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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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angesprochen.
    Das erste Mal, als sie das Geräusch aus dem Ciderhaus hörte – es kam von direkt unter ihr –, glaubte Candy, daß das Baby einfach brabbelte oder zu weinen anfing.
    »Als Ihr Wally ein Junge war, war es anders – dort draußen«, sagte Black Pan zu ihr. »Es sah aus wie ein anderes Land, damals.« Sein Blick war auf die blinkende Küste fixiert.
    Das Geräusch unter dem Dach des Ciderhauses wurde eindeutiger, und Peaches sagte: »Ist es nicht ’ne schöne Nacht, Ma’am?« Es war entschieden keine schöne Nacht; es war eine dunklere Nacht als gewöhnlich, und das Geräusch aus dem Ciderhaus war jetzt unmißverständlich. Eine Sekunde lang glaubte sie, sie müsse sich übergeben.
    »Vorsicht, wenn Sie aufstehen, Missus Worthington«, sagte Muddy zu ihr, aber Candy stampfte mit dem Fuß auf das Dach; dann kniete sie nieder und fing an, mit beiden Händen auf das Blech zu schlagen.
    »Es ist ein so altes Dach, Missus Worthington«, sagte Black Pan zu ihr. »Seien Sie lieber vorsichtig, daß Sie nicht durchbrechen.«
    »Laßt mich runter, laßt mich los«, sagte Candy zu ihnen. Muddy und Peaches faßten sie an den Armen, und Black Pan ging ihnen voraus zur Leiter. Noch während sie über das Dach hinabstieg, versuchte Candy weiter mit den Füßen aufzustampfen.
    Als sie die Leiter hinunterstieg, rief sie: »Rose!« Sie brachte den albernen Namen »Rose Rose« nicht über ihre Lippen, und sie konnte sich nicht überwinden, »Mister Rose« zu sagen. »Rose!« rief sie doppelsinnig. Sie war nicht einmal sicher, welchen von beiden sie anrief, jedenfalls trat ihr Mr. Rose an der Tür des Ciderhauses entgegen. Er war noch dabei, sich anzukleiden – sich das Hemd einzustopfen und sich die Hose zuzuknöpfen. Er sah hagerer und älter aus, als er in ihrer Erinnerung früher ausgesehen hatte, und wenn er sie auch anlächelte, so sah er ihr doch nicht mit dem gewohnten Selbstvertrauen in die Augen – mit seiner gewohnten höflichen Gleichgültigkeit.
    »Sprechen Sie mich bloß nicht an«, sagte Candy zu ihm, doch was hätte er schon sagen sollen? »Ihre Tochter und das Baby kommen mit mir.« Candy ging an ihm vorbei ins Ciderhaus. Sie spürte die zerfledderten Regeln unter ihren Fingern, als sie nach dem Licht tastete. Rose Rose saß aufrecht auf dem Bett. Sie hatte ihre Bluejeans angezogen, aber sie hatte sie nicht zugemacht, und sie hatte das T-Shirt übergezogen, aber sie hielt Candys Badeanzug auf ihrem Schoß – sie war es nicht gewohnt, ihn zu tragen, und hatte ihn in der Eile nicht anziehen können. Sie hatte nur einen ihrer Arbeitsstiefel gefunden und hielt ihn in der Hand. Der andere war unter dem Bett. Candy fand ihn und streifte ihn über den richtigen Fuß – Rose Rose trug keine Socken. Dann band Candy ihr sogar die Schnürsenkel. Rose Rose saß einfach auf dem Bett, während Candy ihr den anderen Schuh anzog und ihn schnürte.
    »Du kommst mit mir, dein Baby ebenfalls«, sagte Candy zu dem Mädchen.
    »Ja, Ma’am«, sagte Rose Rose.
    Candy nahm ihr den Badeanzug ab und wischte damit Rose Rose die Tränen aus dem Gesicht.
    »Alles ist gut. Alles ist gut, jetzt«, sagte Candy zu dem Mädchen. »Und gleich wirst du dich besser fühlen. Niemand wird dir weh tun.«
    Baby-Rose schlief fest, und Candy paßte auf, sie nicht zu wecken, als sie sie aufnahm und sie ihrer Mutter reichte. Rose Rose bewegte sich unsicher. Candy legte ihren Arm um sie, als sie zusammen aus dem Ciderhaus schritten. »Du wirst dich sehr gut fühlen«, sagte Candy zu Rose Rose; sie küßte die junge Frau auf den Hals, und Rose Rose, die schwitzte, lehnte sich an sie.
    Mr. Rose stand in der Dunkelheit zwischen dem Jeep und dem Ciderhaus, die anderen Männer saßen noch auf dem Dach.
    »Du kommst zurück«, sagte Mr. Rose – da war keine Hebung am Ende in seiner Stimme; es war keine Frage.
    »Ich sagte Ihnen schon, sprechen Sie mich nicht an«, sagte Candy zu ihm. Sie half Rose Rose mit ihrem Baby in den Jeep.
    »Ich habe mit meiner Tochter gesprochen«, sagte Mr. Rose voll Würde.
    Aber Rose Rose antwortete ihrem Vater nicht. Sie saß da wie eine Statue, mit ihrem Baby in den Armen, während Candy den Jeep wendete und davonfuhr. Bevor sie zusammen ins Puppenhaus gingen, ließ Rose Rose sich gegen Candy sinken und sagte zu ihr: »Ich konnte nie etwas dagegen tun.«
    »Natürlich konntest du das nicht«, sagte Candy.
    »Er haßte den Vater des anderen«, sagte Rose Rose. »Seither ist er immer hinter mir her gewesen.«
    »Jetzt

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