Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
ständig im Mundwinkel, seine Augen waren immer halb zusammengekniffen, und er hielt sein schmales Gesicht nach hinten hochgereckt, damit er das Rauchfähnchen durch die Nase einatmen konnte.
    »Herb, ich habe mich gefragt«, sagte Wally. »Wenn du ein Mädchen schwanger machst, was würdest du dagegen tun? In Anbetracht deiner Ansichten«, fügte Wally schlau hinzu, »über die Freiheit eines Burschen?« Das brachte Herb um seine Pointe und machte ihn wahrscheinlich sauer; er hatte schon fast einen Gummi aus der Tasche gezogen, um ihn Wally zuzuschnippen und dabei seine übliche Bemerkung zum Thema zu machen, aber da Wally es an seiner Stelle sagte, mußte er mit der Bewegung seiner schnippenden Hand innehalten. Den Gummi brachte er nicht zum Vorschein.
    »Wen hast du dick gemacht?« fragte Herb statt dessen.
    Wally korrigierte ihn. »Ich habe nicht gesagt, ich hätte jemanden dick gemacht. Ich habe dich gefragt, was du tun würdest – falls.«
    Herb Fowler enttäuschte Wally. Alles, was er wußte, war eben dieser mysteriöse Parkplatz in Cape Kenneth – etwas über eine Augenbinde, einen Metzger und fünfhundert Dollar.
    »Vielleicht weiß Meany Hyde etwas«, fügte Herb hinzu. »Warum fragst du nicht Meany, was er tun würde, falls er jemanden dick gemacht hätte?« Herb Fowler lächelte Wally an – er war kein freundlicher Typ –, aber Wally tat ihm nicht den Gefallen. Wally lächelte einfach zurück.
    Meany Hyde war ein freundlicher Mann. Er war mit einer Horde älterer Brüder aufgewachsen, die ihn ständig verprügelten und auch sonst mißhandelten. Seine Brüder hatten ihm den Spitznamen Meany angehängt – wahrscheinlich nur, um ihn zu verwirren. Meany war immer freundlich; er hatte eine freundliche Frau, Florence, die zu den Packhaus- und Apfelmarktfrauen gehörte; sie hatten so viele Kinder bekommen, daß Wally sich nicht an alle ihre Namen erinnern oder sie auseinanderhalten konnte, und darum konnte er sich nur schwer vorstellen, daß Meany Hyde überhaupt wußte, was eine Abtreibung ist.
    »Meany hört immer nur zu«, sagte Herb Fowler zu Wally. »Hast du Meany noch nie beobachtet? Er tut nichts anderes als zuhören.«
    Also ging Wally zu Meany Hyde. Meany war eben dabei, die Preßbretter für die Ciderpresse einzuwachsen; er war überhaupt verantwortlich für die Ciderpresse, und wegen seiner netten Art war er oft auch verantwortlich dafür, die Arbeiten im Ciderhaus zu beaufsichtigen – einschließlich der Wanderarbeiter, die während der Ernte im Ciderhaus wohnten. Olive gab sich alle Mühe, Herb Fowler in angemessener Entfernung von den armen Wanderarbeitern zu halten; Herb hatte keinen so liebenswürdigen Charakter.

    Wally schaute Meany Hyde eine Weile beim Einwachsen zu. Der scharfe, aber saubere Duft des fermentierten Ciders und der alten Cideräpfel war an feuchten Tagen besonders stark, aber Meany schien er angenehm zu sein; Wally störte er auch nicht.
    »Sag mal, Meany«, fing Wally nach einer Weile an.
    »Ich dachte schon, du hättest meinen Namen vergessen«, sagte Meany fröhlich.
    »Meany, was weißt du über Abtreibungen?« fragte Wally.
    »Ich weiß, daß es eine Sünde ist«, sagte Meany Hyde, »und ich weiß, daß Grace Lynch eine hatte – und in ihrem Fall habe ich Verständnis für sie – falls du weißt, was ich meine.«
    Grace Lynch war Vernon Lynchs Frau; Wally – und jeder andere – wußte, daß Vernon sie schlug. Sie hatten keine Kinder; es hieß, das käme davon, daß Vernon Grace so sehr geschlagen hatte, daß ihre Fortpflanzungsorgane (wie Homer Wells sie kannte) Schaden genommen hatten. Während der Ernte, wenn der Apfelmarkt geschäftig summte, machte Grace beim Kuchenbacken mit. Wally fragte sich, ob sie heute arbeitete. An den schönen Tagen im Frühling gab es viel zu tun in den Obstgärten; aber wenn es regnete, blieb nur Anstreichen oder Putzen, oder man konnte das Ciderhaus aufräumen, um es für die Ernte bereit zu haben.
    Es war typisch für Meany Hyde, daß er die Bretter der Presse zu früh einwachste. Er würde sie noch einmal einwachsen müssen, kurz bevor es Zeit für die erste Pressung war. Aber Meany mochte das Anstreichen und Putzen nicht, und wenn es regnete, konnte er ganze Tage an seiner geliebten Ciderpresse hantieren.
    »Wer, glaubst du denn, braucht eine Abtreibung, Wally?« fragte Meany Hyde.
    »Der Bekannte eines Freundes von mir«, sagte Wally, was Herb Fowler zu seinem nächsten Gummigeschoß verleitet hätte, aber Meany war freundlich

Weitere Kostenlose Bücher