Gottes Werk und Teufels Beitrag
– er fand keinen Spaß am Pech anderer Leute.
»Es ist eine Schande, Wally«, sagte Meany. »Ich glaube, du solltest mit Grace darüber sprechen – aber sprich sie nicht an, wenn Vernon in der Nähe ist.«
Das brauchte man Wally nicht zu sagen. Zu oft hatte er die blauen Flecken an Grace Lynchs Oberarmen gesehen, wo Vernon sie gepackt und geschüttelt hatte. Einmal hatte er sie an den Armen gepackt und zu sich her gerissen, dabei den Kopf gesenkt, um ihn ihr ins Gesicht zu stoßen. Was er, wie Wally wußte, wirklich gemacht hatte, denn Senior hatte den Zahnarzt für Grace bezahlt (Senior und Olive hatte sie erzählt, sie wäre die Treppe hinuntergefallen). Vernon hatte vor einigen Jahren in dem Obstgarten, der Old Trees hieß, auch einen der schwarzen Wanderarbeiter zusammengeschlagen. Die Männer hatten sich Witze erzählt, und der Schwarze hatte auch einen Witz erzählt. Vernon konnte es nicht leiden, daß ein schwarzer Mann Witze erzählte, die mit Sex zu tun hatten – er hatte Wally sogar erzählt, daß man die Schwarzen daran hindern sollte, Sex zu machen.
»Sonst wird es bald«, hatte Vernon erklärt, »zu viele von ihnen geben.«
Im Obstgarten namens Old Trees hatte Vernon den Mann von seiner Leiter geschubst, und als der Mann sich wieder hochrappelte, hielt Vernon ihn an beiden Armen fest und stieß ihn immer wieder ins Gesicht, immer und immer wieder, bis Everett Taft, einer der Vorarbeiter, und Ira Titcomb, der Bienenhalter, dazwischengingen und Vernon ruhigstellten. Der Schwarze mußte mit über zwanzig Stichen an Mund, Lippen und Zunge genäht werden; jeder wußte, daß Grace Lynch nicht die Treppe hinuntergefallen war.
Eigentlich hätte Vernon Meanys Namen tragen sollen, oder einen noch schlimmeren.
»Wally«, bat Meany ihn, als er das Ciderhaus verließ, »erzähle Grace nicht, daß ich dir gesagt habe, du sollst sie fragen.«
Also ging Wally Grace Lynch aufsuchen. Er fuhr im Transporter über einen verschlammten Hohlweg durch den Obstgarten namens Frying-Pan, der mit gutem Grund so hieß, denn er lag in einem Tal, wo es im Sommer bei der Arbeit unerträglich heiß wurde. Nur im Doris, einem Obstgarten, den irgendwer nach seiner Frau benannt hatte, war es noch schlimmer. Er fuhr zu Gebäude Nummer zwei (es war einfach das zweite Gebäude zur Aufbewahrung der größeren Fahrzeuge; die Sprinkler wurden in Nummer zwei untergestellt, weil das Gebäude abgelegener war und weil die Sprinkler – und die zugehörigen Chemikalien – stanken). Vernon Lynch lackierte dort; er hatte eine Spritzpistole mit einer langen, nadelförmigen Düse und sprühte eine frische Schicht Apfelrot auf den 500-Gallonen-Hardie-Sprinkler. Vernon trug eine Atemmaske, um sich vor den Farbdämpfen zu schützen (die gleiche Maske, wie die Männer sie trugen, wenn sie die Bäume spritzten), und er hatte seine Schlechtwettersachen an – den Overall aus Ölzeug. Irgendwie wußte Wally, daß es Vernon war, obwohl kein einziger Gesichtszug von Vernon zu sehen war. Vernon hatte so eine unverkennbare Art, seine Arbeit buchstäblich in Angriff zu nehmen, und Wally fand, daß Vernon den Hardie lackierte, als ob er mit einem Flammenwerfer hantiere.
Wally fuhr weiter; er wollte Vernon lieber nicht fragen, wo seine Frau heute arbeitete. Wally schauderte bei dem Gedanken an einige von Vernons gehässigen Antworten.
In dem – außerhalb der Saison – leeren Apfelmarkt standen drei Frauen, die Zigaretten rauchten und schwatzten. Sie hatten nicht viel zu tun; und als sie den Sohn des Chefs kommen sahen, ließen sie weder ihre Kaffeebecher fallen, noch traten sie ihre Zigaretten aus oder zerstreuten sich in verschiedene Richtungen. Sie rückten nur ein wenig voneinander ab und lächelten Wally dämlich an.
Florence Hyde, Meanys Frau, tat nicht einmal so, als ob sie mit irgend etwas beschäftigt wäre: Sie zog an ihrer Zigarette und rief Wally zu: »Hi, Schätzchen!«
»Hi, Florence«, sagte Wally lächelnd.
Die dicke Dot Taft, die in jener Nacht, als Senior Ira Titcombs Bienenkörbe umgeschmissen hatte, wie durch ein Wunder eine ganze Meile weit gerannt und dauernd gestochen worden war, legte ihre Zigarette ab und hob eine leere Kiste hoch; dann stellte sie die Kiste wieder hin und überlegte, wo sie ihren Besen gelassen hatte. »Hi, Hübscher«, begrüßte sie Wally fröhlich.
»Was gibt’s Neues?« fragte Wally die Frauen.
»Nichts Neues hier«, sagte Irene Titcomb, Iras Frau. Sie lachte und wandte ihr Gesicht ab. Sie lachte
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