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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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gehört hatte, und er wollte nicht, daß Candy irgend etwas damit zu tun bekäme. Ohnehin bezweifelte er, daß Candy verstört genug agieren konnte. Da wollte Wally lieber das Baby bekommen; er würde Candy heiraten und sogar glücklich sein dabei; das wollte er ja ohnehin eines Tages.
    Die Geschichte, die Wally gehört hatte, war teilweise richtig. Man mußte tatsächlich zu dem ziemlich würdigen Doktor am Ort gehen und sich in Raserei steigern, und wenn der Doktor meinte, daß man sich als nächstes ertränken wollte, dann verriet er einem die Lage des Parkplatzes, und wie man sich dem Metzger zu nähern habe. Was Wally nicht kannte, war der humanere Teil der Geschichte. Wenn man ruhig und gesammelt und wohlartikuliert und offensichtlich geistig gesund war, übersprang der Doktor die ganze Geschichte mit dem Parkplatz und dem Metzger; wenn man wie eine vernünftige Frau wirkte – wie eine, die ihn später nicht anzeigen würde –, machte der Doktor einem einfach eine Abtreibung, gleich dort in seiner Praxis, für fünfhundert Dollar. Und wenn man sich aufführte wie eine Verrückte, machte er einem ebenfalls eine Abtreibung – gleich dort in seiner Praxis – für fünfhundert Dollar. Der einzige Unterschied war, daß man mit verbundenen Augen auf einem Parkplatz herumstehen und glauben mußte, man würde von einem Metzger operiert. Das war’s, was einem das Verrücktspielen einbrachte. Entschieden ungerecht war nur, daß der Doktor in beiden Fällen fünfhundert Dollar verlangte.
    Doch Wally Worthington informierte sich gar nicht erst richtig über diesen Doktor oder den angeblichen Metzger. Er hoffte, daß jemand ihm einen anderen Abtreiber empfahl, irgendwo, und er hatte eine vage Idee, wen er fragen wollte. Es hatte wenig Sinn, Mitglieder des Haven-Club um Rat anzugehen: ein Mitglied hatte angeblich wegen einer Abtreibung sogar schon eine Kreuzfahrt nach Schweden unternommen, aber das kam für Candy nicht in Frage.
    Wally wußte, daß Leute vom Schlag der Obstgartenarbeiter von Ocean View Bedarf für weniger ausgefallene Mittel haben würden; er wußte auch, daß sie ihn gut leiden konnten und daß man ihnen, mit wenigen Ausnahmen, vertrauen konnte, daß sie die Angelegenheit streng vertraulich und als eine Sache unter Männern behandeln würden. Als erstes ging er zu dem einzigen Junggesellen in der Obstgartenmannschaft, in der Annahme, daß Junggesellen (der betreffende war ein berüchtigter Frauenheld) eher eine Verwendung für Abtreiber hätten als verheiratete Männer. Wally trat an Herb Fowler heran, einen aus der Apfelmannschaft, der nur wenig älter war als er selbst und der – auf eine allzu hagere, allzu grausame Art allerdings, mit einem allzu schmalen Schnurrbart auf seiner dunklen Oberlippe – gut aussah.
    Herb Fowlers gegenwärtige Freundin arbeitete während der Ernte im Packhaus; während der Jahreszeit, da der Apfelmarkt offen war, arbeitete sie bei den anderen Marktfrauen. Sie war jünger als Herb, einfach ein Mädchen vom Ort, etwa in Candys Alter – ihr Name war Louise Tobey, und die Männer nannten sie Squeeze-(Drück-mich-)Louise, was Herb anscheinend nichts ausmachte. Es ging das Gerücht, er habe andere Freundinnen, und er hatte die widerwärtige Angewohnheit, massenweise Präservative mit sich herumzuschleppen – zu jeder Tages- und Nachtzeit –, und wann immer jemand etwas über Sex sagte, zog Herb Fowler einen Gummi aus seiner Hosentasche und warf ihn (in seiner Hülle aufgerollt natürlich) dem Sprecher zu. Er schnippte ihm einfach ein Präservativ zu und sagte: »Siehst du das da? Das rettet ’nem Burschen die Freiheit.«
    Wally hatte sich schon etliche Gummis zuschnippen lassen, er hatte den Witz satt. Und er war nicht in der Stimmung, um als Zielscheibe dieses Witzes herzuhalten; aber seiner Meinung nach war Herb Fowler der richtige Mann für seine Frage, weil er trotz der Gummis dauernd Mädchen in Schwierigkeiten brachte. So oder so verhieß Herb Schwierigkeiten für jedes Mädchen unter der Sonne.
    »He, Herb«, sprach Wally ihn an. Es war ein regnerischer Frühlingstag; das College war aus, und Wally arbeitete neben Herb im Lagerkeller, der über das Frühjahr leer war. Sie strichen Leitern an, und wenn sie mit den Leitern fertig wären, würden sie anfangen, die Gleitschienen für die Förderbänder zu lackieren, die nonstop liefen, wenn im Packhaus Hochbetrieb war. Jedes Jahr wurde alles neu lackiert.
    »Hicks – heiß ich«, sagte Herb. Eine Zigarette hing ihm

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